Die Meister der Am'churi (German Edition)
den jungen Mann quälen mussten. Der Gedanke, was seine Antworten ausrichten würden, ermüdete ihn.
Er beschloss, Norim zu verpflichten, sich seiner anzunehmen. Sein Sohn besaß mehr Geduld in solchen Dingen.
„Wir werden bis zur Dämmerung marschieren. In etwa zwei Tagen müssen wir unser Ziel erreicht haben. In Almular – unserer Hauptstadt – wirst du alles erfahren, was du wissen musst. Es ist nicht nötig, Kraft und Zeit für Fragen zu verschwenden.“
Ni'yo nickte ihm schweigend zu. Ilanrin wusste, dass er sich so eine Schonfrist gesichert hatte. Sein Zaudern, sich Ni‘yos Hass zu stellen, verwunderte ihn selbst. Vielleicht war er wirklich zu alt geworden?
Seufzend konzentrierte er sich auf den Weg. Gleichgültig, wie das hier ausgehen würde, er würde bald seinen Frieden finden dürfen. Noch eine letzte Anstrengung, dann war es endlich vorüber.
7.
„Eigentlich ist es lächerlich, oder?", flüsterte Lurez Jivvin zu und zeigte mit dem Kinn auf die beiden getrennten Nachtlager. Wolfswandler und Am’churi blieben jeweils unter sich, und zwischen ihren Schlafstätten verlief mehr als nur der Grenzabstand von etwa fünf Schritt. Auch wenn Tamu und Lynea noch einmal eindringlich mit ihren Leuten gesprochen hatten, die meisten waren nicht zu bewegen, der anderen Gruppe zu vertrauen. Jivvin sah, dass zwei Wölfe Wachposten bezogen, und er wusste, seine Waffenbrüder würden es ähnlich halten.
„Lächerlich? Das ist schon zu freundlich für diesen Unsinn. Es ist kindisch, und es schwächt uns!“, schnaubte Jivvin ungehalten. Schulterzuckend verschwand Lurez in der Dunkelheit.
Der Schattenelf war nicht zu sehen, etwas, was die allgemeine Unruhe zusätzlich verschärfen mochte. Auf beiden Seiten waren mittlerweile Lagerfeuer entzündet worden, trotzdem zögerte Jivvin, sich zu seinen Kameraden zu setzen. Viele von ihnen zeigten deutlich, dass sie ihn nicht länger als Freund ansahen, und behandelten ihn mit ähnlich abweisender Verachtung – vielleicht nicht mit vergleichbarem Hass oder Furcht – wie Ni’yo. Es war ein elendes Gefühl, so ausgegrenzt, so einsam zu sein. Wie hatte Ni’yo das ein Leben lang ertragen können? Zumal er, Jivvin, wenigstens noch einige wenige Freunde hatte …
Eine Gruppe Am’churi, unter ihnen auch Pitu, Perénn und Kamur, unterhielten sich leise zu seiner Linken. Er konnte das Gespräch nicht verstehen, doch das verstohlene, höhnische Gelächter, verbunden mit Blicken hinüber zu den Wolfswandlern, gefiel ihm gar nicht.
„Jivvin.“ Tamu trat neben ihn und zog ihn ein Stück zur Seite.
„Wir müssen handeln, sonst gibt es heute Nacht womöglich einen Kampf!“ Jivvin riss die Augen auf, als der Großmeister ihm zuflüsterte, was dieser von den Gesprächen der jungen Krieger aufgeschnappt hatte.
„Ich rede mit Lynea, und dann müssen wir uns etwas überlegen.“
„Darauf hatte ich gehofft, du scheinst den besten Zugang zu ihr zu haben. Ich versuche hier, den Männern klar zu machen, um was es eigentlich geht, es ist einfach keine Zeit für Rivalitäten!“
Suchend blickte Jivvin sich um, bis er sie einsam auf einem Baum sitzen sah, und kletterte zu ihr hoch. Er fürchtete einen Moment lang, dass sie ihn fortscheuchen würde, weil sie allein mit ihren Gedanken bleiben wollte, doch sie nickte ihm zu und hieß ihn stumm auf dem Ast neben sich willkommen.
„Was ist los?“, fragte Lynea leise und wies mit dem Kopf nach unten, wo die Am’churi saßen. „Warum lachen deine Waffenbrüder über uns?“ In ihren Augen blitzte eine Warnung, die Jivvin nur allzu ernst nahm. Sie beherrschte ihren Zorn, würde aber auch nicht zögern, ihn auszuleben.
„Es kursieren, nun, Erzählungen“, gestand er zögernd. „Erzählungen davon, nun, wie Wolfswandler … Eure Nachkommen … Na ja, ihr bevorzugt eindeutig eure Tiergestalt, und da …“
Sie starrte kalt auf die Am’churi hinab. Als sie sich wieder ihm zuwandte, lächelte sie unvermittelt und zwinkerte ihm zu.
„Du hast es nicht eilig mit dem Erwachsenwerden, nicht wahr?“
Vor Überraschung wäre er beinahe vom Baum gestürzt. „Was?“
„Du bist ein Krieger, der getötet hat, du lebst mit meinem Bruder zusammen, und das nicht in Glauben und Gebetsgemeinschaft, und trotzdem bist du so unschuldig!“
„Ich bin kein Kind mehr“, murrte er drohend.
„Das weiß ich, andernfalls würde ich dich zu dieser späten Stunde ins Bett schicken und dir eine Gute-Nacht-Geschichte von den guten Waldgeistern
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