Die Meister der Am'churi (German Edition)
riss Jivvin aus seinen brütenden Gedanken. Verblüfft starrte er den jungen Mann an, der sichtlich erregt auf Lynea und einige Wolfswandler einredete. Offensichtlich wollte er eine den Muriakindern zugehörige geheime Sprache nutzen, damit die Am’churi sie nicht belauschen konnten, doch Jivvin verstand ihn Wort für Wort: „Ich glaube dir nicht! Das sagst du bloß, weil einer von dieser Drachenbrut dein Bruder ist!“
Jivvin wechselte einen Blick mit Lurez und Tamu, die einzigen beiden, die wie er nah genug waren, um Brynn zu hören. Beide wirkten ebenso verwirrt, wie er sich fühlte.
„Lynea, auf ein Wort!“, rief er spontan und ignorierte das Misstrauen der Wölfe, das sich augenblicklich auf ihn fixierte. Ni’yos Schwester kam sofort zu ihm, sichtbar nicht allzu unglücklich, Brynn entkommen zu können.
„Wir konnten euch gerade verstehen“, flüsterte er ihr zu. „Mach deinem Rudel irgendwie klar, dass wir alle dieselbe geheime, von den Göttern gelehrte Sprache haben. Falls noch jemand einen Beweis suchte, dass Muria und Am’chur tatsächlich Geschwister sind: Hier ist er.“
„Ich dachte, das wäre eher im übertragenen Sinn zu verstehen, als eine Art Wesensverwandtschaft zwischen den Göttern“, murmelte Lynea überrascht. „Ich meine, wie können Drachen und Wölfe leibliche Geschwister sein?“ Den letzten Satz hatte sie ein wenig lauter gesprochen, laut genug jedenfalls, dass der Schattenelf sie hören konnte, denn der Kalesh schloss mit einigen schnellen Schritten zu ihnen auf, blieb vor Lynea stehen und musterte sie mit amüsiert hochgezogenen Augenbrauen.
„Eure Götter sind recht geizig, wenn es darum geht, ihre Vergangenheit mit euch zu teilen.“ Es war eine Feststellung, keine Frage.
„Dabei ist es keine Schande, die es zu verschweigen gilt. Ihr erinnert euch, dass Kalesh sich um sein eigenes Ei gewunden hat und auf ihm versteinerte? In dem Ei war noch etwas von der Feuerglut, die Kalesh genährt hatte. Der Himmelsschöpfer nahm acht Schalenstücke vom Ei der toten Gefährtin, segnete sie und legte sie in die Glut, immer zwei beieinander. In ihnen wuchsen diejenigen heran, die wir heute die alten Drachen nennen: Am’chur und Muria, Charur und Balur, Dimata und T’Stor. Eines der beiden verbliebenen Eier ging zugrunde, aus dem Letzten schlüpften allerdings zwei Drachenweibchen, die durch nichts voneinander zu unterscheiden waren. Ihre echten Namen sind nicht bekannt, man nannte sie von Anfang an die Nauritenzwillinge – die Göttinnen der Geburt, Heilung und des Friedens. Muria und Am’chur gehören also zu den ersten acht Drachen, die jeweils aus Vulkankratern auf die Welt kamen, und sie sind tatsächlich Geschwister. Sie lehrten uns Elfen ihre Sprache, die wir an die Menschen weitergaben. Es haben sich Dialekte gebildet, aber die Ursprache, diejenige, die die Götter euch Erwählten beibringen, sie stammt von den Alten.
Ihre Nachkommen waren von geringerer Macht, doch auch von ihnen sind viele zu Göttern aufgestiegen. Charur ist als einziger alter Drache nicht in die Zwischenwelt gegangen, er ist unser aller Feind.“
„Muria ist kein Drache!“, fuhr Brynn dazwischen. „Sie ist eine Wölfin!“
Der Elf musterte ihn aus kalten Augen. „Wenn du meinst …“, erwiderte er und wandte sich ab, mit einer Geste, die seine Verachtung bewies.
„Jetzt nimm dich endlich zusammen!“ Lurez packte den Wolfskrieger an den Haaren und wirbelte ihn herum. „Womöglich sagt er die Wahrheit und was dann? Ich möchte mehr hören!“
„Fass mich nicht an!“ Brynn riss sich los und baute sich grollend vor Lurez auf. Doch bevor es zum Kampf kommen konnte, gingen Tamu und Lynea gleichzeitig dazwischen.
„Ich schicke dich nach Hause, wenn du dich nicht endlich beherrschst!“, zischte Lynea und versetzte Brynn einen Schlag vor die Brust, der ihn einige Schritte zurücktaumeln ließ. „Lass die Vergangenheit ruhen!“
„Vergib“, bat Tamu den Elf und neigte den Kopf vor ihm. „Wir sind keine Feinde, aber die Freundschaft müssen wir erst noch lernen.“
„Kinder.“ Der Kalesh schnaubte amüsiert. Jivvin erinnerte sich an die Erzählungen darüber, dass die Elfen unsterblich waren, wenn man sie nicht tötete, und einige von ihnen seit Tausenden von Jahren auf Aru leben sollten.
Anscheinend hatte der Elf keine Lust, mehr über die Götter zu offenbaren, denn er schwieg von nun an und hielt sich noch weiter abseits als zuvor. Auch zwischen den Wolfswandlern und den Am’churi
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