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Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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Tränen an. «Barthel wurde hinterrücks erschlagen.»
    «Erschlagen?» David blickte sie erschrocken an. «Aber warum?»
    «Frag mich nicht, ich verstehe es doch selbst nicht. Barthel war ein Mann, der nur für seine Arbeit gelebt und niemandem etwas zuleide getan hat. Jedenfalls solange ich ihn kannte, und das war nicht lange. Ich musste ihn manchmal daran erinnern, etwas zu essen oder sich ein wenig Schlaf zu gönnen.»
    «Man könnte glauben, er und mein Meister wären Geschwister», versuchte David zu scherzen. Bei Laurenz wirkte das immer. Seine Scherze verwandelten Frauentränen regelmäßig in heiteres Strahlen.
    «Seit Wochen verlässt Carolus die Druckerei nur noch, wenn es gar nicht anders geht und …» Er hielt inne; ein Gedanke regte sich, der ihm vielleicht helfen konnte, dem Dilemma zu entkommen, in das er sich selbst gebracht hatte. Möglicherweise war die Ankunft des Mädchens aus Mannheim viel nützlicher, als er zunächst geglaubt hatte.
    «Du hast recht, so kannst du dich meinem Bruder nicht zeigen», entschied er nach einem prüfenden Blick auf Henrikas schmutziges Kleid. «Wir werden erst einmal dafür sorgen, dass du ein warmes Bad, eine Mahlzeit und frische Kleider bekommst, ehe ich dich zu Meister Carolus bringe.»
    Henrika sah ihn skeptisch an. «Warum willst du mir helfen, David? Verzeih, aber wenn ich in den vergangenen Wochen eines gelernt habe, so ist es, Vorsicht walten zu lassen, wenn ein fremder Mann etwas für mich tun will.»
    «Ich bin sicher, Laurenz wird sich deiner annehmen. Sobald du dich gewaschen und saubere Kleider angelegt hast, wird er dich in seine Arme schließen.» David klang nicht gerade so, als ob ihn das erfreuen würde. Doch er ging zielstrebig auf eine der Seitenpforten zu und öffnete die Tür. «Nun komm schon!»
    Henrika zuckte die Achseln. Sie warf einen letzten Blick auf die riesige Rosette aus strahlendem Glas, die das Licht der allmählich schwächer werdenden Sonne in ein Meer aus tausend Farben verwandelte. In ihnen lag etwas, das ihr Hoffnung gab. Daher nahm Henrika ihren Wanderstab und folgte dem Druckergesellen hinaus auf den Platz.

12. Kapitel
    Es dämmerte bereits, als David vor einem uralten, windschiefen Häuschen stehen blieb und einen Klingelstrang betätigte.
    Henrika blickte sich verstohlen um. In dem Gewirr der engen Gassen, durch die sie eine ganze Weile gelaufen waren, hatte sie hoffnungslos die Orientierung verloren. Sie glaubte in der Nähe des Flusses zu sein, weil die Luft ihr feucht und rauchig vorkam und sie einen leichten Geruch von Fisch und Moder wahrnahm. Vor ihr lagen kleine Höfe und winterlich kahle Gärtchen, die fast nie vom Licht der Sonne beschienen wurden. Einige der Innenhöfe waren mit Steinplatten gepflastert, andere mit Kies und Sand bestreut. In schattigen Winkeln standen sorgsam gezimmerte Ställe für Hühner und Gänse. Auch das Haus, vor dessen Tür David geduldig auf Einlass wartete, besaß einen Hof, der allerdings so schmal war, dass nur ein wackeliger Karren und einige kaputte Wagenräder darin Platz fanden. An die Außenwand schmiegte sich eine ausgetretene Stiege, die zu einer Galerie hinaufführte. Ihr Geländer verschwand beinahe unter einem Gestrüpp wuchernder Weinranken. An den gedrechselten Stäben hingen Körbe verschiedener Größe, zwei Ölkrüge und sogar einige Taubenschläge, was Henrika verwunderte. Die Bewohner des Hauses schienen eine stattliche Anzahl dieser Vögel zu halten, davon zeugten nicht nur der weiße Taubendreck auf Treppenstufen, Pflastersteinen und der Galerie, sondern auch ein geräuschvolles Gurren. Henrika sah Tauben auf der Gasse, Tauben auf dem Dachstuhl und Tauben auf dem Wagen. Nur einige wenige lugten vorsichtig aus der Öffnung des für sie gezimmerten Schlags heraus, um die Ankömmlinge zu begutachten. Von fern drang das Geläut einer Glocke an ihr Ohr. Sie hatte bereits am Tag zuvor erfahren, was es damit auf sich hatte. Jeder Wachtturm der Stadt besaß eine eigene Glocke, die zu einer bestimmten Stunde ankündigte, dass es Zeit wurde, die Stadttore zu schließen. Die Turmwächter betätigten ihren Glockenstrang und gaben somit das Signal an den nächsten Turm weiter.
    David fluchte leise vor sich hin. Offensichtlich behagte es ihm nicht, dass er sich zu so später Stunde noch auf der Gasse herumdrücken musste. Es verging noch eine halbe Ewigkeit, bevor über der Tür ein kleines Fenster aufgestoßen wurde und eine mürrische Stimme sie nach ihrem Begehr

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