Die Meisterin der schwarzen Kunst
Hüte säumte, mit einem forschenden Blick. Der Besuch des Heidelberger Marktes stand bevor. Nach dem Mittagsläuten wollte Hahn seinen Karren mit den schönsten Erzeugnissen seiner Werkstatt beladen, um diese in der Stadt zu verkaufen. Seit Wochen schon sprach man im Hause Hahn kaum noch von etwas anderem. Henrika war die Einzige, die nicht ahnte, dass sich hinter Hahns Reise noch ein weiterer Zweck verbarg.
«Im Ältestenrat habe ich von diesem Mann gehört», gab Hahn nach kurzem Zögern zu. «Wie es aussieht, spielt unser gnädiger Kurfürst mit dem Gedanken, in der Nähe des Dorfes eine wehrhafte Festung mit Schanzen zu errichten. Die Lage am Fluss ist günstig. Ich fürchte nur, dass er sich mit diesen Plänen bei seinen Untertanen nicht beliebt machen wird.»
«Warum das?», wollte Henrika wissen.
Agatha Hahn rutschte mit ihrem Schemel über die Dielenbretter. «Weil das Land zwischen Rhein und Neckar seit Urzeiten uns Bauern und Handwerkern gehört», rief sie. «Ich begreife nicht, warum der Kurfürst sich in den Kopf gesetzt hat, ausgerechnet hier eine Zitadelle anzulegen. Er wird Fremde in unser Dorf schicken. Ausländische Baumeister, Zimmerleute und ein Heer von Arbeitern, das den Boden umpflügt. Sie werden unsere Weingärten niedertrampeln, um Schanzen auszuheben. Vielleicht sind es dieselben Arbeiter, die zurzeit die alte Heidelberger Burg in einen Götzentempel verwandeln, nicht besser als der Palast, in dem der römische Papst haust! Und sobald sie ihr Werk vollendet haben, rücken Soldaten an, die tagsüber die Kasematten und Wachhäuser bevölkern und dann nachts in den Schänken saufen und huren! Elisabeth wird die Einzige im Ort sein, die sich darüber freut.»
«Nun hör schon auf», mahnte Hahn erschrocken. Er wusste, dass Agatha nur schwer zu beschwichtigen war, wenn sie sich erst einmal in Rage geredet hatte. Und es war nicht gerade weise, die Entscheidungen des Landesfürsten in Frage zu stellen. Auch im Dorf gab es genügend Lauscher, die nicht davor zurückschreckten, einen Nachbarn wegen Schmähreden gegen den Hof ans Messer zu liefern, um sich beliebt zu machen. Davon abgesehen tat sie dem Regenten unrecht. Das Heidelberger Schloss hatte durch die Umbauarbeiten gewonnen. Seit der Friedrichsbau mit seinen wundervollen Ornamenten und den in Stein verewigten Ahnen des Fürsten in der Fassade entstanden war, fühlten sich auch die Kurfürstin und ihre Kinder wohler in Heidelberg. Dem tristen alten Bau waren neue, gemütlichere Räumlichkeiten für die Hofdamen angegliedert worden, außerdem ein Prunksaal für die Hofhaltung und eine Schlosskapelle, die nicht zugig und feucht war wie jene, in der bisher die Andachten und Gottesdienste gefeiert worden waren.
Eine Festung, die leicht verteidigt werden konnte, war das Schloss auf dem Berg allerdings nicht. Für Hahn war es daher verständlich, dass sich der Kurfürst und seine Berater einen strategisch sicheren Ort in der Nähe der Stadt wünschten.
«Kurfürst Friedrich ist ein frommer Mann», erklärte er seiner Frau. «Ohne ihn hätte sich die Lehre Calvins niemals in der Unteren Pfalz durchgesetzt. Er hat dafür gesorgt, dass neue Bücher gedruckt wurden und dass die Magister, die unter seinem gottlosen Vorgänger vertrieben worden waren, heute wieder in Heidelberg lehren und predigen dürfen. Hast du vergessen, wie es in unserer Jugend zuging, als der Vater Seiner Durchlaucht sich plötzlich Martin Luthers Ideen zuwandte? Kein Gelehrter, der das Abendmahl im Sinne der Reformierten feierte, durfte im Land bleiben. Wir wurden gezwungen, den Glauben des Kurfürsten anzunehmen, als ob wir selbst nicht denken könnten. Und zu allem Überfluss bekamen wir einen lutherischen Prediger vor die Nase gesetzt, der uns als üble Ketzer beschimpfte und uns einreden wollte, wir hätten vor seiner Ankunft in geistiger Verblendung und Finsternis gelebt.»
«Aber wir haben den Kerl zum Teufel gejagt», rief Agatha triumphierend. Ihre Augen sprühten, wie immer, wenn sie sich an die alten Zeiten erinnerte. «Der wahre Glaube hat gesiegt. Und nun, da sich sogar der Landgraf von Hessen durchgerungen hat, sein Land im Sinne Calvins zu reformieren, können uns auch die Truppen des Kaisers nicht mehr ernsthaft gefährlich werden. Er wird dem Kurfürsten Waffenhilfe leisten, falls es dem Habsburger einfallen sollte, noch einmal gegen die protestantischen Reichsgebiete zu Felde zu ziehen.»
Henrika hielt sich aus dem Gespräch heraus, denn sie verstand zu
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