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Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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den Boden.
    Elisabeth befand sich nicht in der Menge, dafür sah sie Agatha. Die Hutmacherin hockte auf einem Schemel unter einer hohen Linde und hatte die Hände sittsam über der steifen weißen Schürze gefaltet. Sie betete leise, doch als sie Henrika sah, zischte sie: «Dann hast du deine Wahl also getroffen, Teufelskind? Hast dich auf die Seite der Gottlosen geschlagen! Beim Blut des Herrn, wie siehst du nur aus? Schämst du dich nicht, hier so aufzutauchen? Herausgeputzt wie eine Dirne? In dem grünen Fetzen könnte man dich für einen Frosch halten.»
    «Du irrst dich, Mutter Hahn, ich hatte niemals eine Wahl. Außerdem sehe ich lieber aus wie ein Frosch, der hüpfen gelernt hat, als einer, dem man die Zunge herausschneidet, damit er verhungern muss.»
    Hahns Witwe schnappte nach Luft. «Deine Zunge wird dir eines Tages zum Verhängnis werden, das prophezeie ich dir. Meinen armen Hahn hast du schon unter die Erde gebracht. Er könnte heute noch in seiner Werkstatt sitzen, wenn er sich aus Dingen herausgehalten hätte, die ihn nichts angingen. Dinge, an die niemand rühren sollte.»
    «Du redest von meiner Herkunft, nicht wahr?»
    Der Hutmacherin fiel es offensichtlich schwer, ihre Wut zu bändigen. «Deine Herkunft, deine Herkunft. Offensichtlich bist du dem Wahn verfallen, du müsstest königlicher Abstammung sein. Darunter kommt für dich gar nichts mehr in Betracht. Und das nur, weil ein elender Hanswurst es sich aus einer Laune heraus einfallen ließ, dafür zu bezahlen, dass wir dich bei uns aufnahmen. Wir haben uns Mühe gegeben, aus dir einen gottesfürchtigen Menschen zu machen, aber Undank ist ja bekanntlich der Welt Lohn.»
    Henrika hatte genug von dem Genörgel der Alten. Ohne auf das beifällige Murmeln zu achten, das einige von Agathas Nachbarinnen von sich gaben, wandte sie der Hutmacherin den Rücken zu und beeilte sich, die höfische Gruppe einzuholen.
    Anna von Neufeld winkte ihr zu und sorgte dafür, dass die Wachen, die sich in ihren blau-gelben Brustharnischen um ein aus stabilen Balken gezimmertes Podest verteilten, Henrika nicht den Weg mit ihren Lanzen versperrten. Sie sah sich um. Die Stufen, die zu der gezimmerten Tribüne führten, waren mit Kirschbaumzweigen geschmückt, deren Blüten rosa schimmerten. Als Henrika neben Anna ihren Platz gefunden hatte, sah sie auf dem Eichentisch mehrere Mappen mit Urkunden, welche die Übertragung der Ländereien auf den Kurfürsten besiegeln würden. Merkwürdig, dachte Henrika. Ein paar Federstriche und einige Tropfen Wachs genügten, um ein ganzes Dorf auszulöschen, in dem die Menschen über Jahrhunderte ihre Äcker bestellten. Der Kurfürst würde es niederreißen müssen, um den benötigten Platz für seine neue Siedlung zu erlangen.
    Anna, die ein unterhaltsames Schauspiel erwartete, beugte sich zu ihr und flüsterte: «Die Männer, die gerade die Stufen hinaufschreiten, haben im Dorf etwas zu sagen, nicht wahr?»
    «Sie gehören zu den Schöffen», bestätigte Henrika. «Barthel hat sie beschworen, sich den Entscheidungen des Kurfürsten zu fügen und nichts gegen den Bau der Festung zu unternehmen. Ich kann nur hoffen, dass sie sich daran halten.»
    «Es wäre besser für sie. Schau nur, wie viele Gardesoldaten aufmarschiert sind!»
    Schweigend beobachteten die Mädchen, wie sich zwei Reiter aus den Sätteln schwangen, während die Wachen den Kirchplatz mit Seilen absperrten. Brutal drängten sie einige der Schaulustigen zurück hinter die Mauer und das Tor. Auch Agatha wurde von ihrem Platz unter dem Baum vertrieben. Wütende Stimmen waren zu vernehmen, die auf die Männer des Kurfürsten schimpften. Ein paar junge Burschen bückten sich sogar, um Steine vom Boden aufzuklauben.
    O nein, bitte nicht, dachte Henrika besorgt. Doch dann wurde ihre Aufmerksamkeit durch den Klang eines Jagdhorns auf das Podest gelenkt. Barthel Janson und der Graf zu Solms hatten sich mit zwei weiteren Hofbeamten auf das Podest begeben und öffneten die erste Dokumentenmappe, die ein vielfach gesiegeltes Schriftstück enthielt. Otto von Solms humpelte, auf einen Stab aus Elfenbein gestützt, bis zum Rand der Plattform. Dort wartete er, bis Ruhe eingekehrt war, und rief dann mit lauter Stimme: «Einwohner von Mannheim, hört, was ich zu sagen habe! Seine Durchlaucht, unser gnädiger Kurfürst Friedrich, nach Gottes Weisheit rechtmäßiger Erbe der pfälzischen Lande und Pfalzgraf bei Rhein, Herzog in Bayern und Truchsess des Heiligen Römischen Reiches, entbietet

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