Die Melodie des Todes (German Edition)
Hausbesitzer. Auch wenn sie eine ungefähre Ahnung hatten, wo der Täter wohnte, bedeutete das noch lange nicht, dass sie wussten, wer er war.
Das Essen kam. Singsaker legte die Zeitung zur Seite und versuchte, an etwas anderes zu denken. Nachdem er das erste Glas Rød Aalborg geleert hatte, war er fast glücklich. Er dachte sogar, wie gut es doch tat, diesen einen Tag in der Woche Eisbaden zu gehen. Seine warme Haut prickelte und er fühlte sich bis tief in sein Inneres entspannt. Er wollte gerade in sein erstes Roggenbrot mit Senfhering beißen, als sein Handy klingelte. Es war Jensen.
Da sie sich erst vor einer halben Stunde vor dem Präsidium getrennt hatte, konnte dieser Anruf nur bedeuten, dass etwas geschehen war. Etwas, das diesen Tag kaputt machen würde.
»Na, schmeckt’s?«, fragte Jensen gefährlich munter.
»Bis jetzt, ja«, sagte Singsaker und würgte einen halb gekauten Bissen herunter.
»Ich fürchte, wir könnten heute etwas Unterstützung gebrauchen.«
»Hm, hat das was mit dem Kuhaugen zu tun?«
»Nein«, sagte Jensen zögerlich. »Das hoffe ich auf jeden Fall. Ein junges Mädchen ist verschwunden.«
»Verschwunden?«
»Ja, sechzehn Jahre alt. Sie geht in die zehnte Klasse in Rosen borg. Ist gestern Abend oder Nacht von zu Hause verschwun den. Ihre Eltern sind früh ins Bett gegangen und haben sie nicht mehr gesehen, nachdem sie gestern Abend mit dem Hund raus gegangen ist.«
»Verdammt, Thorvald, das ist doch eine Routinesache, jugendlicher Aufruhr, du weißt doch, wie das ist.«
»Das hätte ich normalerweise ja auch gesagt, aber es gibt da ein paar Ungereimtheiten. Und dann ihre Adresse.«
»Was ist damit?«
»Sie wohnt im Markvegen.«
»Oh, verdammt«, sagte Singsaker. »Das ist direkt bei der Bern hard Getz’ gate.«
»Deshalb hat Brattberg diesem Fall höchste Priorität eingeräumt. Sie will, dass du mit Gran zu den Eltern des Mädchens fährst. Du hast doch keine anderen Pläne, oder?«
»Das weißt du ganz genau«, seufzte Singsaker. »Ich komme, wenn ich fertig gegessen habe«, schloss er und legte auf.
Dann nahm er sein Notizbuch aus der Tasche, legte es neben den Heringsteller und schrieb »Routinesache mit Gran. Tee nagerin auf Abwegen«.
*
Eine Sache quälte Stänkerer Löfberg: Silje Rolfsen hatte für ihn gesungen, er aber hatte trotzdem nicht wie erwartet geschlafen. Erst nachdem alles zu Ende gewesen war, war der Schlaf gekommen und hatte den seltsamen, unerklärlichen Traum mit den Riesen am Himmel gebracht. Als hätten ihm erst die Schläge und Tritte den erhofften Nachtschlaf, die Träume und unendliche Ruhe beschert.
Wie befürchtet hatte er seit der Nacht, in der er ihren leblosen Körper in den Wald getragen, ihr die Kehle durchgeschnitten und mit den Fingern nach dem Kehlkopf gesucht hatte, nicht mehr geschlafen. Die Tat selbst hatte ihn befreit. Aber die Wirkung war vergänglich gewesen und das Einzige, was er bekommen hatte, war ein Traum, den er nicht verstand. Er hatte nicht in die Welt zurückgefunden, in der sich seine innere Verrücktheit und Sehnsucht, seine Hoffnung, Leidenschaft und die ver botenen Gedanken jede Nacht in der Welt der Träume ent falteten.
Er konnte nicht sagen, wann etwas in ihm aufbegehrte, wann rohe Gefühle, die eigentlich zum Schlaf gehörten, sich in die ewig wachen Stunden drängten. Es hatte sich schleichend entwickelt, langsam, wie in den schlimmsten Albträumen. Jetzt ertrug er die Nächte kaum noch, die warme, erstickende Decke, die steifen Glieder nach den Stunden auf der weichen Matratze, das Dunkel des Raums, dem die Schwere fehlte, voll spöttischer Schatten, und die grauen Nuancen, die den Schlaf ebenso stör ten wir das grelle Sonnenlicht. Nein, er ertrug die Nächte nicht mehr, und noch weniger die Tage.
Doch endlich bot sich ihm eine neue Chance, zur Ruhe zu kommen. Und dieses Mal hatte er das richtige Mädchen erwählt. Dieses Mal würde das Wiegenlied seine Wirkung entfalten. Es musste einfach klappen.
10
V e t hut, Fredrik Åkare, skäms gamla karl’n! Cecilia Lind är ju bara ett barn. Ren som en blomma, skygg som en hind. Jag fyller snart sjutton, sa’ Cecilia Lind.
Siri Holm schaltete seufzend das Lied des ach so inspirierenden, schwedischen Liedermachers aus, setzte den Kopfhörer ab und steckte das Handy in die Tasche ihrer grünen Hose.
Sie hatte sexuell ziemlich spät debütiert, erst mit neunzehn, was vielleicht der Grund für ihre Begeisterung für die Kunst der Liebe war. Im Laufe der
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