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Die Melodie des Todes (German Edition)

Die Melodie des Todes (German Edition)

Titel: Die Melodie des Todes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jørgen Brekke
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mein absoluter Favorit ist die letzte Strophe, in der es darum geht, dass der Troubadour selbst beim Singen einschläft und so seine eigenen Sorgen vergisst. Das ist ohne Zweifel eines der herausragendsten Bänkellieder, das wir in unserer Sammlung haben.«
    Sie wusste bereits, was er als Nächstes sagen würde.
    »Und wenn Sie mich fragen, haben wir die beste Sammlung des Lan des. Trondheim war im 17. und 18. Jahrhundert so etwas wie Druckereihauptstadt Norwegens, mit Windings Druckerei klar an der Spitze.«
    »Erinnern Sie sich, wer das Lied geschrieben hat?«, fragte sie.
    »Das Lied ist unter einem Pseudonym geschrieben worden, was damals üblich war. Die Verfasser vieler Bänkellieder sind anonym, die wenigsten können historischen Personen zuge ordnet werden. Wir gehen aber davon aus, dass viele der anonymen Lieder von bekannten Persönlichkeiten aus dem damaligen Kulturleben stammen, die nicht mit dieser Form von ›Straßenkultur‹ in Verbindung gebracht werden, trotzdem aber die Einnahmen genießen wollten, die ein populäres Lied einbringen konnten.«
    »Dann könnte der tatsächliche Verfasser auch eine bekannte, historische Persönlichkeit sein?«
    »Theoretisch ja, aber was das spezielle Pseudonym dieses Bänkellieds angeht, gibt es dafür keinen konkreten Hinweis. Das taucht nämlich nur in Verbindung mit diesem Lied auf.«
    »Und wie lautete das Pseudonym?«
    »Jon Blund.«
    »Jon Blund? Unser Sandmännchen mit dem blauen Spitzhut und dem langen Kinnbart?«
    »Fast. Die Figur Jon Blund reicht viel weiter zurück, man findet sie auch in alter Folklore, besonders in Gutenachtgeschichten für Kinder. Auf Dänisch kennt man ihn unter dem Namen Ole Lukøye, und auf Deutsch heißt er Sandmann. Der Name Jon Blund taucht bereits 1710 in einem Text des schwedischen Poeten Johan Runius auf. Das Interessanteste an dem Bänkellied, das Sie mir gezeigt haben, ist vermutlich, dass dieser Name hier erstmals auch in einem norwegischen Text auftaucht. Etwa zur gleichen Zeit findet er sich im Übrigen auch in einem Polizeibericht. Aus Trondheim. Später taucht Jon Blund dann in dem Märchen ›Ein Weihnachtsabend wie in alter Zeit‹ von Asbjørnsen und Moe auf. Dort wird der Ausdruck ›Jetzt kommt gleich Jon Blund‹ synonym verwendet für ›Jetzt ist gleich Schlafenszeit‹. Früher wurde der Schlaf oft als Allegorie für den Tod benutzt, und so wurde auch Jon Blund manchmal mit dem Sensenmann assoziiert.«
    Siri dachte, dass Gunnar Berg ihr viel sympathischer war, wenn er über Bänkellieder und Folklore redete als über Klassifizierungsfragen. Das Engagement, das er an den Tag legte, grenzte fast schon an Begeisterung und machte ihn beinahe sexy. Einen Augenblick lang blieb sie stehen, musterte ihn und fragte sich, ob sie es tun sollte. Dann schoss ihr durch den Kopf, dass die Zeit der süßen Leichtigkeit wohl abgelaufen war.
    »Sie meinen also, der Autor hätte nur dieses eine Lied geschrieben?«
    »Nein, nicht zwingend. Aber wenn er kein anderes Pseudonym verwendet hat, hat er hier in Trondheim nur dieses eine Lied drucken lassen. Sowohl das Pseudonym als auch der Titel des Liedes weisen aber nach Schweden. In Stockholm gab es ein Gasthaus mit dem Namen Den Gyldene Freden, Der Güldene Frieden . Das war eine der Spelunken, in der die Stockholmer sich richtig betrinken konnten, was sie häufig und gerne taten. Die Wasserqualität war in der damaligen Zeit katastrophal und im Branntwein waren bei Weitem nicht so viele Bak terien. Das Besondere an diesem Gasthaus ist, dass es noch heute existiert und eine richtige Institution in der Stadt ist. Ich war selbst schon mal da.«
    Siri Holm sah sich die graue Maus Gunnar Berg noch ein mal genauer an. Sie wusste, was »Der Güldene Frieden« war. Vreeswijk besang diesen Ort: Här är vi alla lika goda ska du veta, Röda och blåa – beniga och feta.
    Es wollte ihr nicht gelingen, sich ihren Kollegen angetrunken in einem Gasthaus vorzustellen, so sehr sie es auch versuchte.
    Berg fuhr fort: »Es ist etwas Besonderes, dort zu sitzen und sich vorzustellen, wie viele Troubadoure dort in mehr als dreihundert Jahren gesungen und gefeiert haben. In diesem Fall bezieht der Titel sich natürlich nicht auf das Gasthaus, auch wenn er durchaus davon inspiriert sein konnte. Eher handelt es sich um eine Umschreibung des Schlafs, dem goldensten von allen Frieden. Wenn unser Jon Blund in Stockholm gewohnt hat, war er höchstwahrscheinlich ein Zeitge nosse des berühmten Liedermachers

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