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Die Melodie des Todes (German Edition)

Die Melodie des Todes (German Edition)

Titel: Die Melodie des Todes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jørgen Brekke
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er und merkte, dass seine Hände das Lenkrad etwas zu fest umklammerten, als er in die Einfahrt des Trondheimer Kampfsportzentrums einbog. »Aber warum sollte der Täter so etwas tun?«
    »Keine Ahnung, vielleicht will er mehr über Jon Blund herausfinden, ohne die Aufmerksamkeit auf sich selbst zu richten. Ein falscher Auftrag übers Internet bietet ihm vielleicht genau die Anonymität, die er haben will. Wir müssen ja wohl annehmen, dass Jon Blund und dieses Lied auf irgendeine Weise in Verbindung stehen mit den verdrehten Gedanken, die ihn zum Mörder machen.«

19
    D ie Kunst der Hände und Füße. Es war lange her, dass Siri Holm noch ihren Kopf nutzte, wenn sie schlug. Die Impulse, die jeder Bewegung zugrunde lagen, kamen irgendwie aus den Fingerspitzen und Fußsohlen, wenn nicht sogar aus der Luft, direkt vor ihrer Haut. Natürlich bedeutete das nicht, dass sie nicht nachdachte, dass nicht hinter jedem Schlag, jedem Chagi eine Reflexion steckte. Aber das waren Gedanken aus einem anderen Stoff, automatisiert und durchdacht und doch unendlich kreativ. Vielleicht war es das, was ihr beim Kyorugi im Taekwondo am besten gefiel. Die Mischung aus Sparring und Kampf, bei der Hände und Füße etwas verstanden, was der Kopf nicht in Worte zu fassen vermochte. Doch in der letzten Zeit hatte sie begonnen, auch noch anderes zu spüren. Ihr Fokus hatte sich ins Innere ihres Körpers verschoben und ihr Bauch war dabei zu einer Art Angelpunkt geworden, um den all ihre Bewegungen kreisten. Wie eine Art Verteidigung des kleinen Wesens da drinnen. Der schwarze Gurt bedeutete Verteidigung gegen alles Dunkle und Düstere. Aber reichte er auch, um das Glöckchen in sich zu schützen?
    An diesem Tag fühlte sich der Kampf realer als jemals zuvor an. Normalerweise spürte sie physisch nie etwas, wenn sie mit einem Schlag oder Tritt traf. Sie wusste einfach, wie oft sie getroffen oder einen Schlag eingesteckt hatte. Das war ein bisschen wie beim Sex. Auf jeden Fall der Sex, den sie mit ihrem Sparringspartner Rolf Birger Gregersen gehabt hatte, dem ein zigen wirklichen Gegner im Trondheimer Taekwondo-Club. Sie hatte mit ihm geschlafen, als sie noch neu in der Stadt und im Club war, und kaum etwas dabei gefühlt. Danach hatte sie ihm gesagt, dass sie das nur getan habe, um ihn besser kennenzulernen, und dass ihr die Art, wie er kämpfte, besser gefiel als seine Art, Liebe zu machen. Er hatte sie verstanden. Außerdem war er verheiratet. Sie waren feste Sparringspartner geworden und schwitzten auch ohne Sex mehr als genug.
    Der Kampf war ausgeglichen. Sie traf ihn mit einem Tritt und zog sich zurück. Blieb stehen. Jetzt hatten sie Gleichstand. Sie näherten sich dem Moment des Kampfes, den sie in der Re gel zu ihrem Vorteil nutzte. Langsam begannen sie ihren trippelnden, gemessenen Tanz. Hielten Augenkontakt. Er sah sie verträumt an und schien sie doch nicht zu sehen. Dieser Blick war im Kampf wie in der Liebe seine schärfste Waffe. Beide machten einen Ausfall, trafen aber nicht. Da spürte sie einen Stich im Bauch. Einen Moment lang war sie unkonzentriert, und mehr brauchte er nicht. Er traf sie blitzschnell mit einem apcha oligi, sodass sie kurz die Balance verlor, sich aber auf den Beinen halten konnte. Damit war der Kampf vorbei.
    »Es ist eine Ewigkeit her, dass ich dich zuletzt besiegt habe«, sagte er.
    In Wahrheit hatte er sie seit der ersten Woche nicht mehr geschlagen, als sie frisch in die Stadt gezogen war. Und auch da hatte sie ihn nur gewinnen lassen, um unter seinen Dobok zu kommen.
    »Ich kapiere nicht, warum du keinen Wettkampf kämpfen willst«, sagte er und atmete schwer, als er zur Bank ging, die vor der Wand stand.
    Er war nicht der Einzige im Club, der sie immer wieder damit bedrängte. Siri wusste sehr wohl, dass sie die Beste war. Sie könnte es weit bringen, sicher bis zu den Olympischen Spielen, wenn sie das gewollt hätte. Für sie war Taekwondo aber in erster Linie eine Denkweise, eine ganz andere Form der Rationalität, die sie nirgendwo sonst finden konnte. Ein Wettkampf würde dieses Besondere kaputt und es austauschbar machen. Das Wissen, dass irgendwo eine Medaille auf sie wartete, würde sie bei jedem Schlag stören. Ebenso wie das Baby in ihrem Bauch sie dabei störte.
    »Ich denke, ich werde eine Pause machen«, sagte sie.
    »Was? Warum das denn?«
    »Entspann dich, es ist nichts Dramatisches. Bloß eine Pause von etwa neun Monaten, abzüglich der vier, die ich schon hinter mir habe.«
    »Willst

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