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Die Melodie des Todes (German Edition)

Die Melodie des Todes (German Edition)

Titel: Die Melodie des Todes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jørgen Brekke
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Stellung.
    Mit dem Seilstück zwischen den Händen warf sie sich von hinten über ihn. Er stand auf und nahm sie sozusagen Huckepack. Ihre Füße hingen in der Luft. Sein Körper spannte sich an, als das Seil sich um seinen Hals legte. Sie zog mit aller Kraft zu und hörte ihn nach Luft schnappen.
    Er machte zwei Schritte zurück und ihre Füße fanden wieder Halt. Sie zerrte mit voller Kraft an dem Seil, bis er zu Boden ging, sein Hinterkopf mit einem dumpfen Laut aufschlug und er sie mit leblosem Blick anstarrte.
    Sie stürmte durch die Tür, blieb aber auf dem Kellerflur stehen. Etwas hielt sie zurück.
    Ihr Blick ging zurück zu dem Verschlag, in dem sie ihren Hund vermutete. Sie machte kehrt und fasste an die Klinke. Die Tür ließ sich öffnen. Bismarck drückte sich in eine Ecke. Als er sie sah, erhob er sich und hinkte ihr entgegen. Der Hund hatte offensichtlich Schmerzen und konnte sich kaum bewegen.
    Dann hörte sie plötzlich, wie der Mann im Nebenraum sich bewegte. Wie war das möglich? Er hatte so ausgeschaltet ausgesehen.
    Sie beugte sich nach unten und küsste dem Hund auf die Schnauze.
    »Ich komme wieder und hole dich«, sagte sie und rannte los.
    Er taumelte durch die Tür, als sie den Fuß auf die Kellertreppe setzte. In vier langen Sätzen war sie oben an der Tür und riss an der Klinke.
    In diesem Moment wusste sie, dass sie verloren hatte. Sie hatte alles getan, was in ihrer Macht stand, doch jetzt war alle Hoffnung vergebens.
    Die Zeit blieb stehen und alle möglichen Bilder zogen an ihrem inneren Auge vorbei. Bismarck und sie unterwegs auf verschneiten Wegen, die Frau ohne Kehlkopf, Fredrik nackt im Halbdunkel seines Zimmers, ein Embryo irgendwo tief in ihrem Innern, eines der seltenen Lächeln ihrer Mutter, der Chor, Bruchstücke eines verebbenden Lebens.
    Die Tür rührte sich nicht. Er hatte sie abgeschlossen.
    Sie hielt den Atem an, als sie sich umdrehte.
    Er war auf halbem Weg nach oben stehen geblieben, wusste, dass er alle Zeit der Welt hatte. Dann ging er langsam weiter, blieb wieder stehen, zögerte bei jeder Stufe, bis er drei Stufen unter ihr war. Sie versuchte, seinen Blick einzufangen, erkannte aber nichts darin. Es wirkte so, als befände er sich an einem ganz anderen Ort.
    Sie hatte einmal geglaubt, ihn zu kennen, zu wissen, wie er tickte. Was für ein schrecklicher Irrtum. Dieser Mann gehörte nicht der gleichen Wirklichkeit an wie sie.
    Er nahm die letzten Stufen. Die Hand mit den drei Fingern schoss nach vorn und packte die Haare über ihrem Ohr.
    Er ging zwei Stufen nach unten und zerrte sie hinter sich her. Sie verlor die Balance. Er ließ sie los und sie stürzte die Treppe hinunter. Schluchzend blieb sie auf dem Kellerboden liegen und sah sich verwirrt um. Bismarck stand in der Tür seines Verschlags und sah sie an. Er war zu erschöpft und verängstigt, um ihr zu Hilfe zu kommen.
    »Versuch nicht, mich zu retten«, flüsterte sie. »Das kann jetzt keiner mehr.«
    Im nächsten Moment war er über ihr.
    »Was willst du von mir, du krankes Arschloch?«, schrie sie ihn an. Etwas in ihre bäumte sich auf, war bereit, gegen das Unausweichliche anzukämpfen. »Was willst du von mir?«
    »Aber Julie, Julie Edvardsen. Das weißt du doch genau. Ich will, dass du für mich singst.«
    Er zog sie an den Haaren hinter sich her in Bismarcks Verschlag und drückte sie zu Boden.
    Bevor sie sich auf die Knie drehen konnte, hatte er den Hund mit nach draußen genommen. Der Schlüssel im Schloss klang wie das Durchladen einer Waffe. Dann machte er Musik an. Dieses Mal nicht die Spieldose, sondern eine CD. Bellman. Sie erkannte das Lied. Es war eines von denen, das sie selbst beim Konzert in Ringve hätte singen sollen. In einem Leben, das längst abgeschlossen war.
    Trink aus dein Glas, der Tod schon deiner harret, schleifet sein Schwert, steht in der Tür im Nu.
    *
    Er versuchte, seinen Atem unter Kontrolle zu kriegen. Bellmans Musik begann langsam zu wirken und er beruhigte sich. Er betastete die Bandage. Der Schuss hatte ihn am Knie erwischt. Vier Schrotkörner hatte er mit der Pinzette herausgezogen.
    Die Blutung hatte inzwischen aufgehört.
    Aber weh getan hatte es, schrecklich weh. Ihm war vor Schmerzen schwarz vor Augen geworden, nachdem er die Blutung mit einem Stoffstreifen von seinem Hemd gestoppt hatte.
    Er musste eine Weile völlig benommen durch die Straßen geirrt sein und war erst wieder zu sich gekommen, als er fast oben am Kuhaugen gewesen war. So komplett weg war er noch

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