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Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...

Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...

Titel: Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manesse-Verlag
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Hut in der Hand und ein Lächeln auf dem Gesicht, küsste mir die Hand, als ich nach dem Gottesdienst wieder in den Wagen stieg, und tätschelte mein italienisches Windspiel – nur damit die wenigen Versammelten es sahen. Abends zwang er mich hinunterzugehen und Tee für seine Gesellschaft zu bereiten, von der drei Viertel – ihn eingeschlossen  – wie üblich betrunken waren. Sie malten das Gesicht des Pfarrers schwarz, als Hochwürden bei der siebten Flasche angelangt war, und als er wie gewöhnlich den Zustand der Bewusstlosigkeit erreicht hatte, banden sie ihn mit dem Gesicht zum Schweif auf die graue Stute.
    Die Drachenkuh las den ganzen Abend bis zur Schlafenszeit ‹The Whole Duty of Man›, 451 dann brachte sie mich in meine Gemächer, schloss mich ein und kümmerte sich um ihren abscheulichen Sohn, den sie wegen seiner Verworfenheit anbetet, wie es, nehme ich an, Sycorax mit Caliban 452 tat.»
    Sie hätten die Wut meiner Mutter sehen sollen, als ich ihr diese Passage vorlas! Ich habe ja immer Geschmack an Streichen gehabt (der wie oben beschrieben dem Pfarrer zugefügte ist, wie ich zugebe, die lautere Wahrheit) und für Mrs Barrys Ohr sorgsam alle Komplimente ausgewählt, die Lady Lyndon ihr widmete. «Drachenkuh»war die Bezeichnung, unter der sie in dieser kostbaren Korrespondenz geführt wurde, manchmal allerdings auch «irische Hexe». Was mich angeht, so wurde ich «mein Kerkermeister»betitelt, «mein Tyrann», «der finstere Geist, der die Herrschaft über mein Wesen erlangt hat» und so weiter – immer in Begriffen, die zwar ein großes Kompliment für meine Macht, jedoch ein äußerst kleines für meine Liebenswürdigkeit bedeuteten. Hier kommt ein weiterer Auszug aus ihrem «Kerkerjournal», an dem man sehen kann, dass Mylady zwar vorgab, all meinem Tun gegenüber völlig gleichgültig zu sein, aber doch das scharfe Auge einer Frau besaß und ebenso eifersüchtig sein konnte wie jede andere:
    « Mittwoch  – An diesem Tag vor zwei Jahren wurde mir die letzte Hoffnung und Lebensfreude geraubt und mein liebes Kind in den
Himmel abberufen. Ob er sich dort seinem vernachlässigten Bruder zugesellt hat, den ich unbeachtet an meiner Seite aufwachsen ließ und den die Tyrannei des Ungeheuers, mit dem ich verbunden bin, ins Exil und vielleicht in den Tod getrieben hat? Oder lebt das Kind noch, wie mein liebevolles Herz zuweilen wähnt? Charles Bullingdon! Komm deiner jammervollen Mutter zu Hilfe, die ihre Verbrechen, ihre Kälte dir gegenüber bekennt und für ihre Irrwege nun bitterlich zu büßen hat! Aber nein, er kann gar nicht leben! Ich bin ja wahnsinnig! Meine einzige Hoffnung ruht in Ihnen, meinem Cousin – Ihnen, den ich einst mit einer weit liebevolleren Anrede zu grüßen gedachte, mein lieber George Poynings! Oh, seien Sie mein Ritter und mein Erretter, das wahrhaft ritterliche Wesen, das Du immer warst, und rette mich aus der Knechtschaft dieses niederträchtigen Wichts, der mich gefangen hält – rette mich vor ihm und vor Sycorax, der schnöden irischen Hexe, seiner Mutter!»
    (Hier folgen einige Verse, wie Mylady sie bogenweise zu komponieren pflegte, in denen sie sich mit Sabra in den «Seven Champions» 453 vergleicht
und ihren George anfleht, sie vor dem Drachen zu retten, vor Mrs Barry. Ich lasse die Zeilen aus und fahre fort:)
    «Der Tyrann, der über mich herrscht, hatte sogar meinem armen, an jenem Tag vor zwei Jahren zur Unzeit gestorbenen Kind beigebracht, mich zu schmähen und zu verachten. Ungehorsam gegenüber meinen Befehlen und Bitten ist der Junge auf seine unheilvolle Reise gegangen. Welche Leiden, welche Demütigungen habe ich seither nicht ertragen müssen! Ich bin Gefangene im eigenen Haus. Ich müsste mich gar vor Gift fürchten, wenn ich nicht wüsste, dass der Unhold ein schäbiges Interesse daran hat, mich am Leben zu erhalten und dass mein Tod das Fanal seines Untergangs wäre. Aber ich kann keinen Schritt tun ohne meine abscheuliche, hässliche, vulgäre Kerkermeisterin, die grässliche Irin, die mich überall verfolgt. Nachts werde ich in meinem Zimmer eingeschlossen wie eine Verbrecherin und darf es nur verlassen, wenn mein Gebieter mich zu sich befiehlt ( mich befiehlt!), damit ich bei den Orgien mit seinen Zechkumpanen anwesend bin und sein abscheuliches Gerede
höre, wenn er in den widerwärtigen Wahn der Trunkenheit abgleitet! Er hat sogar den Anschein ehelicher Treue aufgegeben – er, der einst schwor, ich allein könne ihn binden und

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