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Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...

Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...

Titel: Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manesse-Verlag
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meines armen Kindes verlassen wollte und unbeirrbar Versuche unternahm, meiner Tyrannei zu entrinnen, wie sie es nannte.
    Meine Mutter, der einzige Mensch, der mir in meinem Missgeschick treu blieb (übrigens hat sie von mir immer so gesprochen, wie ich wirklich bin, nämlich als Märtyrer der Schurkenstreiche anderer und Opfer meines großmütigen, vertrauensseligen Wesens), deckte die
erste Intrige gegen mich auf, deren wesentliche Urheber wie üblich die tückischen, bösartigen Tiptoffs waren. Mrs Barry war mir überhaupt trotz ihres heftigen Temperaments und ihrer Schrullen eine unschätzbare Hilfe im Haus, das ohne ihren Sinn für Ordnung und Verwaltung und ohne ihr vorzügliches Wirtschaften bei der Leitung meiner vielköpfigen Familie längst untergegangen wäre. Was Lady Lyndon anlangt – die arme Seele war als Lady allzu fein, sich um Angelegenheiten des Haushalts zu kümmern; sie verbrachte ihre Tage mit ihrem Arzt oder ihren frommen Büchern, und nur wenn ich sie zwang, ließ sie sich bei uns blicken, wobei sie und meine Mutter dann unweigerlich Streit anfingen.
    Mrs Barry hingegen hatte in allen Belangen das Talent zur Geschäftsführung. Sie hielt die Mägde in Bewegung und die Diener bei der Stange; sie überwachte den Rotwein im Keller und Hafer und Heu im Stall; sie kümmerte sich ums Pökeln und Einmachen, die Kartoffeln und die Torfstapel, die zu schlachtenden Schweine und das Geflügel, die Wäschekammer und das Backhaus und um die zehntausend Kleinigkeiten eines großen Haushalts. Wenn alle irischen Hausfrauen wären wie sie, loderten
in vielen Herrenhäusern Feuer, wo heute nur Spinnweben wuchern, und mancher Park wäre voller Schafe und fetter Rinder, wo sich heute vor allem Disteln breitmachen. Hätte etwas mich vor den Folgen fremder Niedertracht und (das gebe ich zu, denn ich bin ja durchaus bereit, meine Fehler einzugestehen) meines allzu leichtfertigen, großmütigen und arglosen Wesens retten können, dann die bewundernswürdige Klugheit dieses ehrenwerten Geschöpfs. Sie ging nie zu Bett, ehe nicht das ganze Haus ruhig und alle Kerzen gelöscht waren, und man kann sich vorstellen, dass das bei einem Mann mit meinen Gepflogenheiten nicht einfach war, da ich gewöhnlich abends ein Dutzend fröhliche Zechkumpane zu Gast hatte (hinterlistige Schurken und falsche Freunde die meisten von ihnen!) und selten nüchtern ins Bett kam. In mancher Nacht, in der ich unfähig war, ihre Handreichungen zu bemerken, hat mir die gute Seele die Stiefel ausgezogen, dafür gesorgt, dass die Diener mich behaglich zu Bett brachten, selbst die Kerze hinausgetragen und war auch die Erste, die mir morgens ein Dünnbier reichte. Das waren damals keine Zeiten für Milchbuben. Kein Gentleman hielt es für verwerflich, sein halbes Dutzend Flaschen zu
leeren, und was Kaffee und dünnen Tee angeht, so überließ ich diese Lady Lyndon, ihrem Arzt und den anderen alten Weibern. Meine Mutter war stolz, dass ich mehr trinken konnte als jeder andere im Land – auf den halben Liter genauso viel wie mein Vater vor mir, sagte sie.
    Es war ganz natürlich, dass Lady Lyndon sie verabscheute. Sie ist auch nicht die erste aller Frauen und Männer, die ihre Schwiegermutter gehasst hat. Ich betraute meine Mutter damit, ein Auge auf die Grillen von Mylady zu haben, und das war natürlich einer der Gründe, aus denen Letztere sie nicht mochte. Das war mir jedoch gleich.
    Mrs Barrys Beistand und Wachsamkeit waren mir unschätzbar, und wenn ich zwanzig Spione für die Beobachtung von Lady Lyndon bezahlt hätte, wären sie mir nicht halb so gut zu Diensten gewesen wie meine vortreffliche Mutter mit ihrer selbstlosen Sorge und Achtsamkeit. Sie schlief mit den Hausschlüsseln unterm Kissen und sah alles. Wie ein Schatten folgte sie allen Bewegungen der Gräfin; sie brachte von früh bis spät alles in Erfahrung, was Mylady tat. Wenn sie durch den Garten ging, richtete sich ein wachsames Auge aufs Tor, und wenn sie auszufahren beschloss, begleitete Mrs Barry
sie, und ein paar Burschen in meiner Livree ritten neben der Kutsche her und achteten darauf, dass ihr nichts zustieß. Obwohl sie sich sträubte und lieber in verdrossenem Schweigen in ihrem Zimmer geblieben wäre, bestand ich darauf, dass wir jeden Sonntag gemeinsam im Sechsspänner zur Kirche fuhren und dass sie die Bälle aus Anlass von Pferderennen in meiner Gesellschaft besuchte, wenn die Luft rein und keiner dieser Strolche von Bütteln, die mich plagten, in der Nähe war.

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