Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...
Damit strafte ich all jene Verleumder Lügen, die behaupteten, ich wollte meine Frau als Gefangene halten. Tatsächlich hatte ich jedoch – da ich ihren Leichtsinn kannte und in Anbetracht der wahnsinnigen Abneigung gegen mich und die Meinen, welche nun zu verdrängen begonnen hatte, was vielleicht eine ebenso wahnsinnige Liebe zu mir gewesen war – auf der Hut zu sein, dass sie mir nicht entwischte.
Wenn sie mich verlassen hätte, wäre ich am nächsten Tag erledigt gewesen, was auch meine Mutter wusste. Das zwang uns, sie streng zu bewachen, aber den Vorwurf, ich hätte sie als Gefangene gehalten, weise ich mit Verachtung zurück. Jeder Mann hält seine Frau bis zu einem gewissen Grad gefangen; die Welt wäre in einem
schönen Zustand, wenn Frauen das Heim verlassen und dorthin zurückkehren könnten, wie es ihnen gerade gefällt. Indem ich meine Frau, Lady Lyndon, bewachte, übte ich lediglich die legitime Autorität aus, die jedem Gatten Ehre und Gehorsam zubilligt.
Die weibliche List ist jedoch so groß, dass meine Gemahlin mir trotz all meiner Aufmerksamkeit bei ihrer Bewachung wohl entschlüpft wäre, hätte ich nicht als Verbündete eine Person gehabt, die ebenso scharfsinnig war wie sie. Wie das Sprichwort schon sagt, fängt man einen Dieb am besten, indem man einen anderen Dieb auf ihn ansetzt; ebenso sollte man, um eine Frau zu überlisten, eine Vertreterin ihres eigenen listigen Geschlechts mit ihrer Bewachung betrauen. So, wie sie beobachtet, all ihre Briefe gelesen, all ihre Bekannten von mir streng überwacht wurden, und da sie fern ihrer Familie in einem entlegenen Teil Irlands lebte, sollte man annehmen, dass Lady Lyndon keine Möglichkeit gehabt hätte, sich mit ihren Verbündeten zu verständigen oder das ihr zugefügte Unrecht, wie sie es zu nennen beliebte, publik zu machen. Trotzdem unterhielt sie einige Zeit noch direkt vor meinen Augen eine Korrespondenz, ja sie organisierte sogar eine
Verschwörung, um mir zu entfliehen, wie ich gleich berichten werde.
Sie hatte immer eine unmäßige Leidenschaft für Kleider, und da keine dieser ihrer Launen je durchkreuzt wurde (denn ich scheute keine Kosten, um sie zu erfreuen, und zu meinen Schulden gehören Putzmacherrechnungen über viele tausend Pfund), gingen zwischen unserem Haus und Dublin dauernd Pakete hin und her mit allen möglichen Kleidern, Umhängen, Spitzen- und Faltensäumen, wie es ihr eben gefiel. Mit diesen kamen Briefe ihres Putzmachers zur Antwort auf zahlreiche ähnliche Aufträge von Mylady, und alle gingen durch meine Hände, ohne dass ich lange Zeit auch nur den geringsten Verdacht gehegt hätte. Und doch bargen diese Papiere dank des schlichten Mittels sympathetischer Tinte 449 Myladys gesamte Korrespondenz und der Himmel allein weiß (denn wie gesagt dauerte es einige Zeit, bis ich diesen Trick durchschaute) welche Beschuldigungen gegen mich.
Aber die schlaue Mrs Barry fand heraus, dass Lady Lyndon, wann immer sie ihrem Putzmacher schreiben wollte, zuvor Zitronen verlangte, um sich etwas zu trinken zu machen, wie sie sagte; und als meine Mutter dies mir gegenüber
erwähnte, wurde ich misstrauisch, hielt einen dieser Briefe vors Feuer, und so kam dieser ganze schurkische Plan ans Licht. Ich will als Beispiel einen der schrecklichen, tückischen Briefe dieser unglücklichen Frau wiedergeben. In großer Schrift und mit breitem Zeilenabstand hatte sie eine Reihe von Anweisungen an ihren Schneider geschrieben und die Kleidungsstücke, die sie brauchte, Eigenarten des Schnitts, ausgesuchte Stoffe etc. aufgeführt. Auf diese Weise verfertigte sie lange Listen und schrieb jeden einzelnen Artikel in eine neue Zeile, sodass sie mehr Raum für die eingehende Aufzählung all meiner Grausamkeiten und ihrer furchtbaren Leiden hatte. So führte sie zwischen den Zeilen das Tagebuch ihrer Gefangenschaft; einem Romanschreiber jener Tage hätte es ein Vermögen eingetragen, eine Abschrift davon zu erhalten und unter dem Titel «Die schöne Gefangene, oder Der garstige Gatte» oder einer ähnlich reißerischen und absurden Überschrift zu veröffentlichen. Das Tagebuch lautete etwa folgendermaßen:
« Montag – Gestern wurde ich gezwungen, zur Kirche zu gehen. Meine scheußliche, monströse, vulgäre Drachenkuh 450 von Schwiegermutter
saß in gelbem Satin mit roten Schleifen auf dem Ehrenplatz in der Kutsche; neben uns ritt Mr L. auf dem Pferd, das er Hauptmann Hurdlestone nie bezahlt hat. Der üble Heuchler geleitete mich zur Bank, den
Weitere Kostenlose Bücher