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Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...

Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...

Titel: Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manesse-Verlag
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und kein Heuchler bin, kann ich ebenso gut einräumen, dass ich die Anschläge meiner Feinde durch eine List abzuwehren gedachte, die vielleicht nicht ganz zu rechtfertigen war. Alles hing davon ab, dass ich einen Erben für den Besitz hatte; falls nämlich Lady Lyndon, die von schwächlicher Gesundheit war, stürbe, wäre ich am nächsten Tag ein Bettler; all meine Opfer an Geld und anderem für das Gut wären keinen Heller mehr wert gewesen, alle Schulden hätten auf meinen Schultern geruht, und meine Feinde hätten über mich triumphiert, was für einen Mann meines ehrenhaften Geistes «der ärgste Stich von allen» 446 wäre, wie irgendein Dichter sagt.
    Ich gebe also zu, dass ich den Wunsch hatte, diese Schurken auszustechen, und da ich dies ohne einen Erben meines Besitzes nicht tun konnte, beschloss ich, einen zu finden . Ob ich einen greifbar hatte, und zwar von meinem Blut, wiewohl mit Bastardfaden, 447 ist hier nicht die Frage. Dann jedoch erkannte ich die tückischen Machenschaften meiner Feinde, denn nachdem ich diesen Plan Lady Lyndon gegenüber erwähnt hatte, die ich, zumindest nach außen hin, als gefügigste aller Gattinnen darstellte – obwohl ich nie einen Brief von ihr oder an sie
kommen oder abgehen ließ, ohne ihn zu inspizieren, und obwohl ich ihr nur solche Personen zu empfangen gestattete, die ich angesichts ihrer heiklen Gesundheit als geeignete Gesellschaft für sie ansah –, hörten doch die teuflischen Tiptoffs von meinem Plan und protestierten sofort dagegen, nicht nur brieflich, sondern mit schändlichen, verleumderischen Flugblättern, und erklärten mich zum «Kinderfälscher», wie sie es nannten, zum Gegenstand öffentlicher Abscheu. Natürlich wies ich die Bezichtigungen zurück – ich konnte gar nicht anders, und ich bot an, jedem beliebigen Tiptoff auf dem Feld der Ehre entgegenzutreten und ihn als Schurken und Lügner zu erweisen, was er ja auch war, wiewohl vielleicht nicht in diesem Zusammenhang. Sie begnügten sich jedoch damit, mir durch einen Anwalt zu antworten, und lehnten eine Forderung ab, die jeder Mann von Schneid akzeptiert hätte. Meine Hoffnungen auf einen Erben wurden somit im Keim erstickt; überdies hatte Lady Lyndon (wiewohl ich mir wie gesagt aus ihrem Widerstand nichts machte) den Vorschlag mit so viel Energie, wie sie eine so schwache Frau nur aufbieten kann, zurückgewiesen und gesagt, sie habe meinetwegen ein großes Verbrechen begangen und werde lieber
sterben, als ein weiteres zu verüben. Zwar hätte ich sie leicht zur Vernunft bringen können, aber da mein Plan bekannt geworden war, war es nun sinnlos, ihn weiterzuverfolgen. Wir hätten in aller Ehrbarkeit ein Dutzend eheliche Kinder haben können, und die Leute hätten trotzdem gesagt, sie seien unecht.
    Was das Aufnehmen von Geld auf Jahreseinkünfte angeht, darf ich sagen, dass ich diese bereits für den Rest ihres Lebens aufgebraucht hatte. Zu meiner Zeit gab es nur wenige jener Versicherungsgesellschaften, wie sie seitdem in London aus dem Boden geschossen sind; Assekuradeure 448 betrieben dieses Geschäft, und bei ihnen war das Leben meiner Frau besser bekannt, glaube ich, als das irgendeiner anderen Frau der Christenheit. Als ich zuletzt eine neue Lebensversicherung für sie abschließen und diese um einen gewissen Betrag beleihen wollte, besaßen diese Schufte die Dreistigkeit zu sagen, so wie ich meine Frau behandelte, sei ihr Leben nicht einmal eine Jahresprämie wert – als ob es in meinem Interesse läge, sie umzubringen! Hätte mein Junge noch gelebt, so wäre die Sachlage eine andere gewesen; er und seine Mutter hätten gemeinsam einen großen Teil des Besitzes vom unveräußerlichen Erblehen abtrennen
können, was meine geschäftliche Lage erheblich gebessert haben würde. So aber war sie in einem wirklich schlechten Zustand. All meine Pläne hatten sich als Fehlschläge erwiesen; meine Ländereien, die ich mit geliehenem Geld gekauft hatte, brachten keinen Ertrag, und ich war gezwungen, ruinöse Zinsen für die Summen zu zahlen, mit denen ich sie erworben hatte. Mein Einkommen war zwar groß, aber belastet mit Hunderten von Leibrenten und Tausenden von Anwaltsrechnungen; ich spürte, wie sich das Netz um mich immer enger zusammenzog, und ich sah keine Möglichkeit, mich diesen Schlingen zu entwinden.
    Zu all diesen Verwicklungen kam noch hinzu, dass meine Frau, deren wechselnde Launen und seltsame Torheiten ich zwölf Jahre lang ertragen hatte, mich zwei Jahre nach dem Tod

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