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Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...

Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...

Titel: Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manesse-Verlag
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Pakete des Putzmachers kamen nun immer häufiger, und die an sie gesandten Rechnungen enthielten die Zusicherung baldiger Hilfe. Der ritterliche Lord George Poynings wollte zur
Rettung seiner Cousine herbeieilen und setzte als Kompliment an mich hinzu, er hoffe, seine teure Cousine aus den Klauen des grässlichsten Schurken zu befreien, der je die Menschheit entehrt habe, und sobald sie frei sei, werde man Maßnahmen ergreifen, um eine Scheidung aufgrund von Grausamkeit und jeglicher Art schlechter Behandlung meinerseits zu erwirken.
    Sorgsam ließ ich von all diesen kostbaren Dokumenten beider Seiten Abschriften anfertigen, und zwar durch meinen oben erwähnten Verwandten und Sekretär, mein Patenkind Mr Redmond Quin, zu jener Zeit der würdige Verwalter des Besitzes Castle Lyndon. Er war ein Sohn meiner alten Flamme Nora; in einem Anflug von Großmut hatte ich ihn ihr abgenommen und versprochen, für sein Studium am Trinity College aufzukommen und für seinen weiteren Lebensunterhalt zu sorgen. Aber nach einem Jahr an der Universität wollten die Lehrer ihn erst wieder in die Mensa und in Vorlesungen lassen, wenn seine Collegerechnungen bezahlt wären. Verärgert ob der Dreistigkeit, mit der man die geringe fällige Summe einforderte, entzog ich dem Institut meine Gönnerschaft und befahl den jungen Gentleman nach Castle Lyndon, wo ich ihn mir auf hundert
Arten zunutze machte. Als mein lieber kleiner Junge noch lebte, hatte er das arme Kind unterrichtet, soweit dessen munterer Geist es zuließ; ich kann jedoch versichern, dass der arme liebe Bryan niemals viel Mühe auf Bücher verwandte. Danach war er Mrs Barrys Buchhalter, kopierte meine endlose Korrespondenz mit Anwälten und den Verwaltern all meiner verschiedenen Besitzungen, ging abends meiner Mutter und mir beim Piquet oder Puff zur Hand oder begleitete Lady Lyndons Spinettvortrag auf dem Flageolett 454 (er war ein recht geschickter Bursche, wenngleich von rohem, schäbigem Geist, wie es zum Sohn eines solchen Vaters passte) oder las mit ihr französische und italienische Bücher – beide Sprachen beherrschte Mylady vorzüglich, und auch er wurde mit ihnen vollkommen vertraut. Es machte meine wachsame alte Mutter ganz verdrießlich, wenn sie sie in diesen Sprachen reden hörte, denn sie verstand von beiden kein Wort und sagte immer, es gehe ihnen nur darum, etwas auszuhecken. Wenn die drei miteinander allein waren, unterhielt sich Lady Lyndon mit Quin in einer dieser Sprachen, womit sie die alte Dame trefflich ärgern konnte.
    Ich verließ mich völlig auf seine Treue, denn
ich hatte den Burschen erzogen und mit Wohltaten überhäuft; außerdem hatte er mir verschiedentlich seine Vertrauenswürdigkeit bewiesen. Er war es, der mir drei der Briefe von Lord George brachte, in denen dieser einige der Klagen von Mylady beantwortete; die Briefe waren zwischen Leder und Karton eines Buchs versteckt, das die Leihbibliothek Lady Lyndon zur Lektüre geschickt hatte. Auch stritten er und meine Frau sich häufig. In ihren fröhlicheren Momenten ahmte sie seinen Gang nach; wenn sie hochmütig gestimmt war, mochte sie sich nicht mit dem Enkel eines Schneiders an einen Tisch setzen. «Schicken Sie mir was auch immer zur Gesellschaft, nur nicht diesen scheußlichen Quin», sagte sie dann, wenn ich vorschlug, er solle sie mit seinen Büchern und seiner Flöte unterhalten. Wir hatten zwar oft, aber nicht unausgesetzt Streit, wie man meinen könnte; gelegentlich war ich ihr gegenüber aufmerksam. Manchmal gingen wir einen Monat lang wie Freunde miteinander um; dann stritten wir uns zwei Wochen lang; dann blieb sie einen Monat lang in ihren Gemächern; all diese häuslichen Vorkommnisse wurden auf ihre eigentümliche Weise in ihrem, wie sie es nannte, Kerkerjournal notiert, und das ist wahrlich ein feines Dokument!
Manchmal schreibt sie: «Mein Ungeheuer war heute beinahe liebenswürdig» oder «Mein Grobian hat zu lächeln geruht». Dann wieder bricht sie in Ausdrücke wilden Hasses aus, aber für meine arme Mutter hatte sie immer nur Hass übrig. Da hieß es dann: «Die Drachenkuh ist heute krank; ich wünschte bei Gott, sie würde sterben!» oder «Die ekelhafte alte irische Hökerin hat mir heute einigen Unflat an den Kopf geworfen» und so weiter. All diese Äußerungen, die ich Mrs Barry vorlas oder für sie aus dem Französischen und Italienischen übertrug, in dem viele abgefasst waren, versetzten die alte Dame in dauerhafte Wut auf die ihr Anvertraute; so sorgte ich

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