Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...

Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...

Titel: Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manesse-Verlag
Vom Netzwerk:
gekränkt hatte. Ich achtete darauf, meine Gefühle vor dem Regiment oder meinem Hauptmann nicht zu zeigen; aber an diesem Abend, an dem ich eigentlich im Gartenhaus außerhalb des Brandenburger Tores mit Fräulein Lottchen (der Tabaks-Rätin 178 vornehmer Gesellschafterin) hätte Tee trinken sollen, fand ich irgendwie nicht die Kraft zu gehen, sondern entschuldigte mich, begab mich in der Kaserne, die ich nun fast nach Belieben betreten und verlassen konnte, früh zu Bett und verbrachte eine lange Nacht weinend und in Gedanken ans gute alte Irland.
    Am nächsten Tag erwachten meine Lebensgeister wieder; ich ließ mir einen Wechsel über zehn Guineen auszahlen, den meine Mutter dem Brief beigefügt hatte, und bewirtete einige Bekannte ordentlich. Der Brief der armen lieben Seele war ganz verkleckst von Tränen, wimmelte nur so von Bibelstellen und war gänzlich wirr und zusammenhanglos geschrieben. Sie sagte, sie sei entzückt zu hören, dass ich einem protestantischen Fürsten unterstünde, wiewohl sie fürchte, er sei nicht auf dem rechten Pfad; diesen rechten Pfad, sagte sie, habe sie segensreich dank der Anleitung durch den Reverend Joshua Jowls 179 gefunden, von dem sie betreut
werde. Sie sagte, er sei ein kostbares, erwähltes Gefäß, liebliches Salböl und Behältnis voll köstlichen Lavendels; und sie benutzte jede Menge weiterer Wendungen, die ich nicht verstand; aber trotz all dieser Faselei war mir eines klar, dass nämlich die gute Seele ihren Sohn immer noch liebte, Tag und Nacht an ihren wilden Redmond dachte und für ihn betete. Geht nicht so manchem armen Burschen auf einsamer Nachtwache oder in Kummer, Krankheit und Gefangenschaft durch den Kopf, dass höchstwahrscheinlich just in diesem Moment seine Mutter für ihn betet? Ich habe oft solche Gedanken gehabt; sie zählen jedoch nicht zu den fröhlichsten, und es ist ganz gut, dass sie einem nicht in Gesellschaft kommen, denn was würde dann aus einer Gruppe munterer Burschen? Ich versichere Ihnen, sie wären so stumm wie Bestatter bei einem Begräbnis. In dieser Nacht leerte ich einen Humpen auf das Wohl meiner Mutter, und solange das Geld reichte, lebte ich wie ein Gentleman. Später erzählte sie mir, sie habe sich, was sie mir schickte, vom Mund abgespart, und Mr Jowls sei ihr sehr gram gewesen.
    Zwar war das Geld der lieben Seele recht bald ausgegeben, doch beschaffte ich mir schnell neues,
denn ich kannte hundert Wege, zu Geld zu kommen, und wurde ganz allgemein zum Favoriten des Hauptmanns und seiner Freunde. Einmal war es Madame von Dose, die mir einen Frédéric d’or schenkte, weil ich ihr einen Strauß oder Brief des Hauptmanns brachte, dann wieder war es der alte Geheimrat, der mir eine Flasche Rheinwein vorsetzte und einen Taler oder zwei in die Hand drückte, damit ich ihm etwas über die liaison zwischen meinem Hauptmann und seiner Dame erzählte. Ich war zwar kein solcher Narr, dass ich sein Geld nicht genommen hätte, doch kann ich Ihnen versichern, ich war nicht ehrlos genug, meinen Wohltäter zu verraten, und der alte Herr erfuhr sehr wenig von mir. Als der Hauptmann und die Dame sich entzweiten und er der reichen Tochter des holländischen Gesandten seine Aufwartung zu machen begann, händigte mir die unglückliche Tabaks-Rätin noch wer weiß wie viele Briefe und Guineen aus, damit ich ihren Liebhaber zurückbrächte. Aber solche Wiederkehr ist in der Liebe selten, und der Hauptmann lachte nur über ihre schalen Seufzer und ihr Flehen. Im Hause von Mijnheer van Guldensack machte ich mich bei Hohen und Niederen so beliebt, dass ich dort bald vertrauten Umgang pflegte und
das eine oder andere Staatsgeheimnis erfuhr, was meinem Hauptmann sehr gefiel. Diese kleinen Hinweise überbrachte er seinem Onkel, dem Polizeiminister, der sie ohne Zweifel zu seinem Vorteil nutzte, und so errang ich das Vertrauen der Familie Potzdorff und blieb bloß nominell noch Soldat; es war mir gestattet, in Zivilkleidung aufzutreten (die vom Feinsten war, wie ich Ihnen versichern kann) und mich auf hundert Weisen zu vergnügen, etwas, worum die armen Burschen, meine Kameraden, mich beneideten. Was die Feldwebel angeht, so waren sie zu mir so höflich wie zu einem Offizier; sie hätten ja ihre Streifen riskiert, hätten sie einen gekränkt, der beim Neffen des Ministers ein offenes Ohr fand.
    In meiner Kompanie gab es einen jungen Kerl namens Kurz – trotz seines Namens sechs Fuß lang –, dem ich im Krieg bei einer Gelegenheit das Leben gerettet

Weitere Kostenlose Bücher