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Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...

Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...

Titel: Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manesse-Verlag
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Zeugnis gilt nicht viel. Was den Rest deiner Geschichte angeht, kannst du sie so zurechtschustern, wie du willst, und sie so romantisch oder lachhaft machen, wie es dir beliebt. Du solltest aber versuchen, das Vertrauen des Chevaliers zu gewinnen, indem du sein Mitleid erweckst. Er spielt sehr viel, und er gewinnt. Verstehst du dich auf Karten?»

    «Nur ein wenig, wie es bei Soldaten eben so ist.»
    «Ich hatte dich da für kundiger gehalten. Du musst herausfinden, ob der Chevalier betrügt; wenn ja, dann haben wir ihn. Er trifft sich dauernd mit den Gesandten Englands und Österreichs, und die jungen Männer aus beiden Botschaften speisen immer wieder bei ihm. Finde heraus, worüber sie reden und wie viel jeder im Spiel setzt, vor allem, ob sie auf Ehrenwort spielen. Wenn du an seine privaten Briefe kommst, wirst du sie natürlich lesen; um die, die in die Post gehen, brauchst du dich allerdings nicht zu kümmern, die lesen wir. Aber sooft du ihn eine Mitteilung schreiben siehst, stellst du unbedingt fest, an wen sie geht und durch welchen Kanal oder Boten. Den Schlüssel zu seiner Depeschentasche trägt er selbst im Schlaf an einer Schnur um den Hals. Zwanzig Frédéric d’or, wenn du einen Schlüsselabdruck machen kannst. Du gehst natürlich in Zivilkleidung zu ihm. Bürste dir am besten das Pulver aus den Haaren und binde sie einfach zusammen, statt sie zu flechten; den Schnauzbart musst du natürlich abrasieren.»
    Mit diesen Anweisungen und einem sehr kargen Handgeld verließ mich der Hauptmann. Als
ich ihm das nächste Mal begegnete, gab er sich erheitert ob der Veränderungen meines Äußeren. Nicht ohne Bedauern hatte ich meinen Schnurrbart (rabenschwarz und elegant gekräuselt) abrasiert, die eklige Mischung aus Fett und Mehl, die ich immer verabscheute, aus den Haaren entfernt, trug einen sittsamen französischgrauen 186 Rock, schwarze Satinhosen, eine braune Samtweste und einen Hut ohne Kokarde. Ich sah so sanft und demütig aus, wie ein arbeitsuchender Diener nur wirken mochte, und ich glaube, nicht einmal mein eigenes Regiment, das gerade zur Parade in Potsdam weilte, hätte mich erkannt. So ausstaffiert begab ich mich zum Hotel «Stern», wo sich dieser Fremde aufhielt  – mein Herz pochte erwartungsvoll, und etwas sagte mir, dass dieser Chevalier de Balibari kein anderer war als Barry aus Ballybarry, meines Vaters ältester Bruder, der infolge seines halsstarrigen Festhaltens am römischen Aberglauben seinen Besitz aufgegeben hatte. Ehe ich hineinging, um mich vorzustellen, warf ich in der Remise einen Blick auf seine Kutsche. Führte er das Wappen der Barrys? Ja, da war es, silbern mit rotem Schrägbalken und vier Einbuchtungen im Feld – das altehrwürdige Wappen meines Hauses. Die bemalte Fläche,
etwa so groß wie mein Hut, gehörte zu einem eleganten, hübsch vergoldeten Wagen, befand sich unter einer Krone und wurde flankiert von acht oder neun Cupidos, Füllhörnern und Blumenkörben, ganz nach der seltsamen Heraldikmode jener Tage. Er musste es sein! Mir war ganz flau, als ich treppauf ging. In der Rolle eines Dieners sollte ich mich meinem Onkel vorstellen!
    «Sie sind der junge Mann, den Monsieur de Seebach empfiehlt?»
    Ich verbeugte mich und reichte ihm jenen Brief des Gentleman, mit dem mein Hauptmann mich umsichtig versehen hatte. Während er ihn las, hatte ich die Muße, ihn genau zu betrachten. Mein Onkel war sechzig Jahre alt, prächtig gekleidet in Rock und Hose aus aprikosenfarbenem Samt und eine weiße Satinweste, ebenso mit Gold bestickt wie der Rock. Über seine Brust zog sich das dunkelrote Band des Ordens vom Goldenen Sporn, und auf der Brust glitzerte der riesige Ordensstern. An jedem seiner Finger trug er einen Ring, in den Uhrentaschen steckten mehrere Uhren, sein schwarzes Halsband, das hinten am Perückenbeutel 187 befestigt war, zierte ein kostbarer Solitär, seine Manschetten und Krausen waren üppig mit teuren
Spitzen geschmückt. Die rosa Seidenstrümpfe waren über die Knie hochgerollt und wurden von goldenen Strumpfbändern gehalten, und auf den Schuhen mit roten Absätzen saßen große diamantbesetzte Schnallen. Ein Degen mit vergoldetem Griff in einer Scheide aus weißer Fischhaut 188 und ein üppig mit Spitzen besetzter und von weißen Federn gesäumter Hut lagen neben ihm auf einem Tisch und vervollständigten das Kostüm dieses prächtigen Gentlemans. Er hatte etwa meine Größe, das heißt sechs Fuß und einen halben Zoll; seine Gesichtszüge ähnelten

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