Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...
durch manuelle Tätigkeiten beschmutzen. Unser Sold reichte freilich kaum, uns vor dem Hungertod zu bewahren, und da ich Vergnügungen immer zugeneigt war und der Standort, an dem wir uns nun befanden, nämlich mitten in der Hauptstadt, uns daran hinderte, jene Mittel zum Eintreiben von Kontributionen zu nutzen, die in Kriegszeiten immer leicht verfügbar waren, sah ich mich gezwungen, die einzige Maßnahme zu ergreifen, mit der ich meine Ausgaben decken konnte –
mit einem Wort, ich wurde die Ordonnanz 174 oder der vertraute vornehme Bursche meines Hauptmanns. Als mir dieses Amt vier Jahre zuvor im englischen Dienst angeboten worden war, hatte ich es verschmäht; in einem fremden Land ist die Lage jedoch eine ganz andere. Und um die Wahrheit zu sagen: Nach fünf Jahren beim gemeinen Fußvolk nimmt eines Mannes Stolz vieles hin, was ihm als einem Unabhängigen unerträglich wäre.
Der Hauptmann war noch jung und hatte sich im Krieg ausgezeichnet, sonst wäre er nicht so früh in diesen Rang befördert worden. Außerdem war er der Neffe und Erbe des Polizeiministers, Monsieur de Potzdorff, und diese Verbindung hatte zweifellos zum Aufstieg des jungen Gentlemans beigetragen. Hauptmann de Potzdorff war bei Paraden oder in der Kaserne durchaus streng, doch ließ er sich leicht durch Schmeicheleien leiten. Ich hatte sein Herz zunächst dadurch gewonnen, dass ich meinen Zopf säuberlich flocht (tatsächlich kleidete ich mich akkurater als jeder andere Mann des Regiments), und später erwarb ich sein Vertrauen durch tausend kleine Kniffe und Komplimente, mit denen ich mich auskannte, da ich ja selbst ein Gentleman bin. Er war der Vergnügung
ergeben und verfolgte sie offener als die meisten anderen am strengen Hof des Königs; mit seiner Börse war er großzügig und sorglos, und er hatte einen starken Hang zum Rheinwein – lauter Eigenschaften, die ihm meine ehrliche Sympathie eintrugen und von denen ich natürlich ebenfalls profitierte. Beim Regiment war er unbeliebt, weil er angeblich eine allzu enge Beziehung zu seinem Onkel unterhielt, dem Polizeiminister, dem er, wie man andeutete, alles berichtete, was in der Truppe vorging.
Bald schon hatte ich mich meinem Offizier nahezu unentbehrlich gemacht und wusste fast alles über seine Angelegenheiten. Daher wurde ich oft vom Exerzieren und den Paraden freigestellt, an denen ich sonst hätte teilnehmen müssen, und gelangte zu einer Reihe von Nebeneinkünften, die es mir ermöglichten, eine gute Figur abzugeben und mit einem gewissen éclat 175 in bestimmten, wiewohl sehr bescheidenen Berliner Gesellschaftskreisen aufzutreten. Bei den Damen war ich immer besonders gern gesehen, und mein Betragen ihnen gegenüber war so geschliffen, dass sie nicht begreifen konnten, wie ich im Regiment eigentlich zu meinem schrecklichen Spitznamen «Schwarzer Teufel» gekommen war. «Er ist nicht so schwarz, wie
man ihn darstellt», sagte ich dann lachend, und die meisten Damen stimmten darin überein, dass der Gemeine ebenso wohlerzogen sei wie der Hauptmann. Wie hätte es denn angesichts meiner Erziehung und Geburt auch anders sein können?
Als ich mit ihm ausreichend vertraut war, bat ich um Erlaubnis, einen Brief an meine arme Mutter in Irland zu schreiben, der ich viele, viele Jahre keine Nachrichten über mich hatte zukommen lassen; Briefe der ausländischen Soldaten wurden nämlich von der Post nicht angenommen, weil man befürchtete, sie könnten zu Gesuchen oder Einmischungen seitens der Verwandten im Ausland führen. Mein Hauptmann war bereit, für die Beförderung zu sorgen, und da ich wusste, dass er ihn öffnen würde, achtete ich darauf, ihm den Brief versiegelt zu geben und so mein Vertrauen in ihn zu zeigen. Wie sich denken lässt, war das Schreiben so gehalten, dass dem Verfasser nichts geschehen konnte, falls man es abfing. Ich bat meine verehrte Mutter um Vergebung, dass ich von ihr geflohen war. Ich sagte, meine Ausschweifungen und Torheiten in der Heimat machten mir die Rückkehr unmöglich; sie werde sich jedoch zumindest freuen zu erfahren, dass ich im Dienste
des größten Monarchen der Welt wohlauf und glücklich und das Soldatenleben mir höchst angenehm sei. Und ich setzte hinzu, ich hätte einen gütigen Gönner und Protektor gefunden, der hoffentlich eines Tages so für mich sorgen werde, wie es ihr selbst – dies wisse ich ja – leider nicht möglich gewesen sei. Ich bat sie, mich allen Mädchen in Castle Brady in Erinnerung zu rufen, führte sie
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