Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...
angefangen von Biddy bis zu Becky namentlich auf und unterschrieb wahrheitsgemäß als ihr liebender Sohn Redmond Barry von Hauptmann Potzdorffs Kompanie im Infanterieregiment von Bülow in der Berliner Garnison. Ferner erzählte ich ihr die vergnügliche Geschichte, wie der König einmal den Kanzler und drei Richter mit Fußtritten treppab befördert hatte, als ich Wachdienst in Potsdam tat, und ich sagte, ich hoffte auf einen baldigen neuen Krieg, in dem ich zum Offizier aufsteigen könnte. Man hätte meinen Brief wirklich für den des glücklichsten Burschen der Welt halten können, und in diesem Punkt tat es mir keineswegs leid, meine liebe Mutter zu täuschen.
Ich war sicher, dass mein Brief gelesen wurde, denn einige Tage darauf begann Hauptmann Potzdorff, mich nach meiner Familie zu fragen,
und ich erzählte ihm die Einzelheiten eigentlich recht wahrheitsgemäß. Ich sei der Sohn einer guten Familie, doch sei meine Mutter nahezu mittellos und habe kaum genug, um ihre acht Töchter zu ernähren, die ich namentlich aufführte. Ich hätte in Dublin die Rechte studieren wollen, sei dort in schlechte Gesellschaft geraten, hätte Schulden gemacht, einen Mann im Duell getötet und würde, falls ich zurückkehrte, von seinen mächtigen Freunden entweder gehängt oder eingekerkert. Ich sei der englischen Armee beigetreten, wodurch sich eine mir unwiderstehliche Gelegenheit zur Flucht bot. Danach erzählte ich noch die Geschichte von Mr Fakenham of Fakenham, und zwar dergestalt, dass mein Gönner sich vor Lachen krümmte. Später sagte er mir, er habe die Geschichte bei Madame de Kamekes Abendgesellschaft wiederholt, worauf alle begierig waren, den jungen Engländer zu Gesicht zu bekommen.
«War der britische Botschafter da?», fragte ich im Tonfall ärgster Besorgnis und setzte hinzu: «Um Himmels willen, Herr Hauptmann, nennen Sie ihm nicht meinen Namen, sonst könnte er meine Auslieferung verlangen, und ich habe nicht den Wunsch, in meiner lieben Heimat gehängt zu werden.» Potzdorff lachte und sagte,
er werde dafür sorgen, dass ich bleiben könne, wo ich sei, worauf ich ihm ewige Dankbarkeit schwor.
Ein paar Tage später erklärte er mit ziemlich ernster Miene: «Redmond, ich habe über dich mit unserem Kommandeur geredet, und als ich meine Verwunderung darüber äußerte, dass ein Bursche von deinem Mut und deinen Talenten im Krieg nicht befördert worden sei, sagte der General, dass man dich beobachte; du seist ein kühner Soldat und offensichtlich aus guter Familie; an keinem im Regiment habe er weniger auszusetzen; aber niemand habe noch weniger eine Beförderung verdient. Du seist ein verschwenderischer Müßiggänger ohne Prinzipien; du hättest den Männern einigen Schaden zugefügt, und trotz all deiner Talente und Verwegenheit sei er sicher, dass es mit dir kein gutes Ende nehmen werde.»
«Herr!», sagte ich, ganz verblüfft darüber, dass sich irgendein Sterblicher solch eine Meinung über mich gebildet hatte. «Ich hoffe, General Bülow irrt sich hinsichtlich meines Charakters. Ich bin zwar in schlechte Gesellschaft geraten, habe mich aber nur so verhalten wie andere Soldaten auch; und vor allem hatte ich bisher nie einen guten Freund und Beschützer,
dem ich hätte beweisen können, dass ich zu Besserem tauge. Der General mag sagen, dass ich verdorben bin, und mich zum T----l jagen; aber verlassen Sie sich darauf, ich würde zum T----l gehen, wenn ich Ihnen damit dienen könnte.» Ich sah, dass meinem Gönner diese Rede sehr gefiel; und da ich sehr verschwiegen und ihm auch in heiklen Angelegenheiten tausendfach nützlich war, entwickelte er bald eine wirkliche Zuneigung zu mir. Einmal habe ich zum Beispiel an einem Tag oder, genauer, in einer Nacht, als er sich tête à tête 176 mit der Dame des Tabaks-Rats 177 von Dose befand… aber es ist unnütz, von Affairen zu berichten, die keinen mehr angehen.
Vier Monate nachdem ich den Brief an meine Mutter geschrieben hatte, erhielt ich – verdeckt an den Hauptmann gerichtet – eine Antwort, die in mir Heimweh hervorrief und eine Schwermut, die ich nicht beschreiben kann. Seit fünf Jahren hatte ich die Handschrift der guten Seele nicht gesehen. Die alten Zeiten, der frische, fröhliche Sonnenschein auf Irlands alten grünen Feldern, ihre Liebe und mein Onkel und Phil Purcell und überhaupt alles, was ich je getan und empfunden hatte, holte mich beim Lesen des Briefs ein; und als ich allein war,
weinte ich wie nie seit dem Tag, da Nora mich
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