Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...
was uns erwartet – ob ich entehrt bin und Dich überlebe, ob Du schuldig und ein Feigling bist oder noch würdig des Namens von – M.
Es war die Handschrift des alten Generals de Magny; und als mein Onkel und ich nachts heimgingen, nachdem wir mit der Gräfin de Liliengarten die nicht unbeträchtlichen Gewinne des Abends geteilt hatten, waren wir bei allem Triumph doch sehr bedrückt von der Lektüre des Briefs. «Hat Magny», so fragten wir uns, «den Juden beraubt, oder wurde seine Intrige aufgedeckt?» In beiden Fällen durften meine Ansprüche auf Komtesse Ida wohl ernste Rückschläge erleiden; ich begann zu ahnen, dass meine«große Karte» bereits ausgespielt und möglicherweise verloren war.
Nun ja, sie war verloren; wiewohl ich noch heute sage, dass sie gut und verwegen gespielt wurde. Nach dem Souper (das wir aus Sorge
um die Folgen nie während des Spielens einnahmen) wurde ich so unruhig hinsichtlich der laufenden Ereignisse, dass ich beschloss, gegen Mitternacht in die Stadt zu gehen und mich nach dem wahren Grund für Magnys Verhaftung zu erkundigen. Vor der Tür stand ein Posten, der mir bedeutete, mein Onkel und ich stünden unter Arrest.
Sechs Wochen lang hielt man uns unter so strenger Bewachung in unserem Quartier fest, dass zu entkommen unmöglich gewesen wäre, wenn wir es denn gewünscht hätten; als Unschuldige hatten wir jedoch nichts zu befürchten. Unsere Lebensführung lag für aller Augen offen da, und wir wünschten und verlangten eine gerichtliche Untersuchung. In diesen sechs Wochen ereigneten sich große, tragische Dinge; als wir aus der Gefangenschaft freigelassen wurden, erfuhren wir – wie ganz Europa – von der allgemeinen Lage, waren jedoch noch weit davon entfernt, alle Einzelheiten zu verstehen, von denen ich erst Jahre später hörte. Hier sind sie, wie sie mir von jener Dame erzählt wurden, die vielleicht von allen am besten Bescheid wusste. Aber der Bericht sollte wohl besser Inhalt eines weiteren Kapitels sein.
KAPITEL 12
Die tragische Geschichte der Prinzessin von X.
Mehr als zwanzig Jahre nach den in den vorigen Kapiteln beschriebenen Ereignissen schlenderte ich mit meiner Gattin, Lady Lyndon, durch die Rotunde von Ranelagh. 267 Es war das Jahr 1790, die Emigration aus Frankreich hatte bereits begonnen, die alten Grafen und Marquis strömten an unser Gestade, nicht elend und ausgehungert, wie man sie einige Jahre später sah, sondern noch unbehelligt, und sie brachten einiges vom Glanz ihrer Nation mit. Ich schlenderte mit Lady Lyndon, als diese – sprichwörtlich eifersüchtig und immer darauf bedacht, mich zu verärgern – eine ausländische Dame erblickte, die mich offensichtlich musterte, und natürlich fragte sie, wer diese schrecklich fette Holländerin sei, die mich so anstarre. Ich wusste überhaupt nicht, um wen es sich handelte. Zwar hatte ich das Gefühl, das Gesicht der Dame schon irgendwo gesehen zu haben (es war, wie meine Frau bemerkt hatte, ungeheuer fett und aufgedunsen), erkannte darin aber nicht jene Person, die zu ihrer Zeit eine der schönsten Frauen Deutschlands gewesen war.
Es war keine andere als Madame de Liliengarten, die Maitresse oder, wie einige behaupteten, die morganatische Gemahlin des alten Herzogs von X., des Vaters von Herzog Viktor. Einige Monate nach dem Hinscheiden des älteren Herzogs hatte sie X. verlassen und sich, wie ich hörte, nach Paris begeben, wo ein skrupelloser Abenteurer sie ihres Geldes wegen heiratete; doch führte sie weiterhin ihren quasi fürstlichen Titel und erhob zum großen Gelächter der Pariser, die ihr Haus frequentierten, Anspruch auf Ehrungen und Zeremoniell der Witwe eines Souveräns. In ihrem Empfangssalon hatte sie einen Thron aufgestellt und ließ sich von ihren Dienern und denen, die ihre Aufwartung machen wollten, mit Altesse 268 anreden. Es hieß, sie trinke recht kräftig – ihr Gesicht wies jedenfalls alle Anzeichen dieser Gewohnheit auf; auch hatte sie die rosige, freimütige, gut gelaunte Schönheit verloren, die den Souverän, der sie adelte, einst entzückt hatte.
Zwar sprach sie mich auf dem Rundgang in Ranelagh nicht an, doch war ich zu dieser Zeit so bekannt wie der Fürst von Wales, und ohne Schwierigkeiten fand sie mein Haus am Berkeley Square, wo mir am nächsten Morgen eine Mitteilung zugestellt wurde. «Eine alte Freundin
von Monsieur de Balibari», stand dort (in äußerst schlechtem Französisch), «möchte sehr gern den Chevalier wiedersehen und über die
Weitere Kostenlose Bücher