Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...
glücklichen alten Zeiten plaudern. Rosina de Liliengarten (kann es denn sein, dass Redmond de Balibari sie vergessen hat?) wird den ganzen Vormittag in ihrem Haus in Leicester Fields 269 sein und nach jemandem Ausschau halten, der sie vor zwanzig Jahren bestimmt nicht übersehen hätte.»
Es war tatsächlich Rosina von Liliengarten – eine so aufgedunsene Rosine, wie ich sie selten gesehen habe. Ich traf sie in Leicester Fields in einer anständigen Wohnung im ersten Stock (die arme Seele fiel später viel tiefer), wo sie Tee trank, der irgendwie sehr stark nach Branntwein roch; nach Begrüßungsfloskeln, deren Wiederholung noch öder wäre, als ihr Austausch es war, und anfangs zielloser Konversation gab sie mir kurz gefasst den folgenden Bericht über die Vorgänge in X., den ich wohl «Die Tragödie der Prinzessin» betiteln darf.
«Sie erinnern sich gewiss an Monsieur de Geldern, den Polizeiminister. Er war holländischer Abkunft und, mehr noch, entstammte einer Familie holländischer Juden. Zwar wusste jeder von diesem Makel auf seinem Wappenschild,
doch war er tödlich verärgert, wenn man Andeutungen über seine Herkunft machte; um die Mängel seines Vaters zu tilgen, befleißigte er sich monströser Religiosität und allerstrengster Frömmigkeit. Jeden Morgen ging er in die Kirche, einmal die Woche zur Beichte, und er hasste Juden und Protestanten gleich einem Inquisitor. Er ließ keine Gelegenheit verstreichen, seine Ehrlichkeit zu beweisen, indem er diese oder jene verfolgte, sooft sich ihm ein Anlass bot.
Die Prinzessin hasste er auf den Tod; Ihre Hoheit hatte ihn nämlich aus einer Laune heraus ob seiner Abstammung beleidigt, ließ bei Tisch vor ihm stehendes Schweinefleisch entfernen oder verletzte ihn auf ähnlich alberne Weise; und gegen den alten Baron de Magny hegte er eine heftige Abneigung, sowohl, weil dieser Protestant war, als auch, weil er ihm in einem Anflug von Hochmut öffentlich den Rücken zugekehrt und ihn einen Denunzianten und Spion geheißen hatte. Im Staatsrat gab es zwischen den beiden fortwährend Streit, und nur die Gegenwart seiner erlauchten Herren hielt den Baron davon ab, öffentlich und immer wieder die Verachtung auszudrücken, die er für den Leiter der Polizei empfand.
Hass war also einer der Gründe für Geldern, die Prinzessin zu ruinieren, und er hatte wohl noch ein stärkeres Motiv – Habgier. Wissen Sie noch, wen der Herzog nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete? Eine Prinzessin aus dem Hause F. Zwei Jahre später baute Geldern seinen schönen Palast, und zwar, davon bin ich überzeugt, mit dem Geld, das die Familie F. ihm gezahlt hatte, damit er die Eheschließung förderte.
Zu Prinz Viktor zu gehen und Seiner Hoheit von einem Fall zu berichten, den alle kannten, wollte Geldern unter allen Umständen vermeiden. Er wusste, der Mann, der dem Prinzen eine so furchtbare Mitteilung überbrächte, verlöre für alle Zeit dessen Achtung. Es war daher sein Ziel, dass sich die Sachlage Seiner Hoheit gewissermaßen von selbst erklärte; und als die Zeit reif war, suchte er nach einer Möglichkeit, seinen Stich zu machen. Er unterhielt Spitzel in den Häusern des älteren und des jüngeren Magny; aber das wissen Sie natürlich dank Ihrer Erfahrungen mit den Gepflogenheiten auf dem Kontinent. Wir alle unterhielten Spitzel bei den jeweils anderen. Ihr Schwarzer (er hieß, glaube ich, Zamor) hat mir jeden Morgen Bericht erstattet; und oft habe ich den lieben alten Herzog
mit Geschichten unterhalten, wie Sie und Ihr Onkel morgens Piquet und Würfelspiel geübt haben, und mit Ihren Zwisten und Ränken. Ähnliche Kontributionen haben wir von jedem in X. erhoben, um den lieben alten Mann zu erheitern. Monsieur de Magnys Kammerdiener hat sowohl mir als auch Monsieur de Geldern berichtet.
Ich wusste, dass der Smaragd verpfändet worden war; aus meiner Börse hat die arme Prinzessin die Mittel für den abscheulichen Löwe und den noch wertloseren jungen Chevalier bezogen. Wie die Prinzessin Letzterem trauen konnte, und das so beharrlich, liegt jenseits meines Verständnisses; aber keine Torheit gleicht der einer verliebten Frau; und Sie werden bemerkt haben, mein lieber Monsieur de Balibari, dass unser Geschlecht sich gewöhnlich auf einen üblen Mann versteift.»
«Nicht immer, Madame», warf ich ein. «Ihr gehorsamer Diener hat oft derartige Neigungen hervorgerufen.»
«Ich wüsste nicht, dass das die Wahrheit meiner Feststellung berührte», sagte die alte Dame trocken
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