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Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2

Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2

Titel: Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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jemand vorbeigekommen?‹
      ›Ich stehe hier seit einer Viertelstunde, Sir‹, sagte der Polizist. ›Während dieser Zeit ist nur eine Person vorbeigekommen – eine Frau, eine große, ältere Frau mit einem Paisley-Schal.‹
      ›Ach, das war nur meine Frau‹, rief der Pförtner. ›Sonst haben Sie niemanden gesehen?‹
      ›Niemanden.‹
      ›Dann ist der Dieb in die andere Richtung geflohen‹, rief der Bursche und zerrte mich am Ärmel.
      Aber ich war nicht davon überzeugt, und daß der Mann versuchte, mich wegzuziehen, verstärkte mein Mißtrauen.
      ›Wohin ist die Frau weitergegangen?‹ rief ich.
      ›Ich weiß es nicht, Sir. Ich sah sie vorübergehen, aber ich hatte keinen besonderen Grund, sie zu beobachten. Sie schien in Eile zu sein.‹
      ›Wie lange ist das her?‹
      ›Wenige Minuten.‹
      ›Fünf Minuten?‹
      ›Nun, keinesfalls länger.‹
      ›Sie verschwenden nur Ihre Zeit, Sir, und jede Minute ist jetzt kostbar!‹ rief der Pförtner. ›Ich gebe Ihnen mein Wort darauf: Meine Alte hat nichts mit der Sache zu tun. Kommen Sie mit zum anderen Ende der Straße. Na, wenn Sie nicht wollen, ich gehe jedenfalls.‹ Und damit lief er los in die entgegengesetzte Richtung.
      Aber ich folgte ihm sofort und faßte ihn beim Ärmel.
      ›Wo wohnen Sie?‹ fragte ich.
      ›Ivy Lane 16, Brixton‹, antwortete er. ›Aber lassen Sie sich nicht auf eine falsche Fährte lokken, Mr. Phelps. Kommen Sie mit zum anderen Ende der Straße, vielleicht erfahren wir da etwas.‹
      Ich verlor nichts, wenn ich seinem Rat folgte. Mit dem Polizisten machten wir uns auf den Weg, aber wir fanden dort nur eine äußerst belebte Straße. Es wimmelte von Menschen, die es eilig hatten, der feuchten Nacht zu entkommen. Kein Müßiggänger stand herum, der uns hätte Auskunft geben können.
      So kehrten wir ins Amt zurück und suchten die Treppe und die Korridore ab – ohne Erfolg. Der Gang, der zu meinem Zimmer führt, ist mit cremefarbenem Linoleum ausgelegt, auf dem sich Abdrücke leicht entdecken lassen. Wir untersuchten den Boden sorgfältig, sahen aber keine Fußspur.«
      »Hat es den ganzen Abend geregnet?«
      »Von ungefähr sieben Uhr an.«
      »Wie kommt es denn dann, daß die Frau, die gegen neun in das Zimmer kam, mit ihren schmutzigen Schuhen keine Spuren hinterlassen hat?«
      »Ich bin froh, daß Sie diesen Punkt ansprechen. Dasselbe fiel auch mir gleich auf. Die weiblichen Dienstboten ziehen gewöhnlich beim Pförtner ihre Stiefel aus und tragen dann Tuchschuhe.«
      »Das ist geklärt. Es gab also keine Abdrücke, obwohl der Abend regnerisch war? Die Kette der Ereignisse ist in der Tat hoch interessant. Was taten Sie als nächstes?«
      »Wir untersuchten auch das Zimmer. Es gibt keine Geheimtür, und die Fenster liegen etwa dreißig Fuß über der Straße. Beide Fenster waren von innen verriegelt. Der Teppich schließt ein Eindringen durch eine Falltür aus, und die Decke ist glatt und weiß gestrichen. Ich verwette meinen Kopf darauf, daß derjenige, der die Papiere gestohlen hat, durch die Tür gekommen ist.«
      »Wie steht’s mit dem Kamin?«
      »Es gibt keinen. Der Raum hat nur einen Ofen. Der Klingelzug hängt direkt über meinem Pult. Der ihn zog, muß also an mein Pult getreten sein. Aber warum sollte ein Verbrecher die Glocke betätigen wollen? Das ist für mich ein unlösbares Geheimnis.«
      »Der Zwischenfall ist zweifellos ungewöhnlich. Was taten Sie dann? Sie untersuchten also den Raum, um festzustellen, ob der Eindringling irgendwelche Spuren hinterlassen hat – einen Zigarrenstummel oder einen verlorenen Handschuh oder eine Haarnadel oder sonst eine Kleinigkeit.«
      »Wir haben nichts derartiges gefunden.«
      »Roch es irgendwie besonders?«
      »Nun, daran haben wir nicht gedacht.«
      »Ein bißchen Tabakduft wäre für diese Nachforschungen sehr wertvoll gewesen.«
      »Ich rauche nicht, und so nehme ich an, ich hätte Tabakgeruch sofort bemerkt. Es gab in keinerlei Hinsicht eine Spur. Das einzig Handgreifliche war, daß die Frau des Pförtners – Mrs. Tangey heißt sie – das Gebäude eilends verlassen hatte. Ihr Mann konnte keine andere Erklärung dafür geben als die, daß sie um diese Zeit immer nach Hause gehe. Der Polizist und ich hielten es übereinstimmend für das beste, die Frau zu ergreifen, ehe sie sich der Papiere entledigen konnte – vorausgesetzt, sie waren in ihrem Besitz.
      In der

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