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Die Menschenleserin

Die Menschenleserin

Titel: Die Menschenleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Gefahren aus. Daniel Pell hatte offensichtlich kein Problem damit, Halbwüchsige zu töten.
    Es war so viel besser, über Menschen und ihre Konflikte zu schreiben , als über diese Konflikte zu entscheiden. Sollten sich die Leser doch ihr Urteil bilden, was gut oder schlecht war, und sich entsprechend verhalten. Aber durfte er sich andererseits einfach zurücklehnen und Pell bei seinem Blutbad freie Hand lassen, wenn es in Nagles Macht stand, mehr zu tun?
    Die heikle Debatte musste jedoch nun enden, denn Mary Bolling verließ den Laden und schob einen Einkaufswagen voller Lebensmittel vor sich her.
    Ja oder nein?
    Morton Nagle zögerte nur wenige Sekunden, dann öffnete er die Tür, stieg aus und zog sich die Hose hoch. Er ging los.
    »Verzeihung. Hallo, Mrs. Bolling. Ich bin’s.«
    Sie hielt inne und starrte ihn ungläubig an. »Was machen Sie denn hier?«
    »Ich...«
    »Ich habe nicht eingewilligt, Sie mit Theresa reden zu lassen.«
    »Ich weiß, ich weiß... Darum geht es auch gar...«
    »Wie können Sie es wagen, sich einfach hier blicken zu lassen? Sie belästigen uns!«
    Sie hatte ihr Mobiltelefon in der Hand.
    »Bitte«, sagte Nagle und verspürte den plötzlichen Drang, sie auf jeden Fall umzustimmen. »Es geht um etwas anderes. Ich bin hier, um jemandem einen Gefallen zu tun. Über das Buch können wir später sprechen.«
    »Einen Gefallen?«
    »Ich bin aus Monterey hergekommen, um Sie um etwas zu bitten. Ich wollte das persönlich tun.«
    »Wovon reden Sie da?«
    »Sie haben von Daniel Pell gehört.«
    » Selbstverständlich habe ich das.« Sie sagte das, als wäre er der Dorftrottel.
    »Es gibt eine Polizeibeamtin, die gern mit Ihrer Nichte sprechen würde. Sie glaubt, dass Theresa ihr vielleicht helfen kann, Pell zu finden.«
    » Was ?«
    »Keine Angst. Es besteht keine Gefahr. Sie...«
    »Keine Gefahr? Sind Sie verrückt? Sie könnten ihn hergeführt haben!«
    »Nein. Er hält sich irgendwo in Monterey auf.«
    »Haben Sie denen verraten, wo wir sind?«
    »Nein, nein! Diese Polizistin wird sich mit ihr treffen, wo immer Sie wollen. Hier. Überall. Sie möchte Theresa lediglich fragen...«
    »Niemand wird mit ihr reden. Niemand wird sie zu Gesicht bekommen.« Die Frau beugte sich vor. »Falls Sie nicht sofort von hier verschwinden, wird das sehr ernste Konsequenzen für Sie haben.«
    »Mrs. Bolling, Daniel Pell hat bereits...«
    »Ich sehe die verdammten Nachrichten. Sagen Sie dieser Beamtin, wer auch immer sie ist, dass Theresa ihr nicht das Geringste mitzuteilen hat. Und bilden Sie sich ja nicht ein, dass Sie jemals wegen Ihres beschissenen Buches mit ihr sprechen dürfen.«
    »Nein, warten Sie, bitte...«
    Mary Bolling machte kehrt und lief zu dem Escalade. Ihr nun herrenloser Einkaufswagen rollte in entgegengesetzter Richtung eine leichte Schräge hinab. Als Nagle den Wagen keuchend zu fassen bekam, unmittelbar bevor dieser gegen einen Mini Cooper prallen konnte, fuhr das Auto der Tante mit quietschenden Reifen vom Parkplatz.
     
    Vor nicht allzu langer Zeit hatte ein – inzwischen ehemaliger – CBI-Agent diesen Teil des Gebäudes als »Mädchenflügel« bezeichnet.
    Er meinte damit jenen Abschnitt der Zentrale in Monterey, in dem zufälligerweise zwei Ermittlerinnen – Dance und Connie Ramirez – sowie Maryellen Kresbach und die kühle Büroleiterin Grace Yuan untergebracht waren.
    Der unglückselige Exkollege war ein Agent Mitte fünfzig, einer jener weltweit verbreiteten lebenden Inventargegenstände, die aufwachen und die Tage bis zur Pensionierung zählen – und das schon seit ihrer Jugend. Er konnte auf eine recht erfolgreiche Zeit bei der Highway Patrol zurückblicken, aber seine Versetzung zum CBI war ein Fehler gewesen. Er war den Anforderungen dieser Aufgabe nicht gewachsen.
    Und ihm fehlte anscheinend jeglicher Überlebensinstinkt.
    »Und das hier ist der Mädchenflügel«, hatte er gesagt, laut genug, dass alle es hören konnten. Er führte während seiner Mittagspause gerade eine junge Frau, die er offenbar beeindrucken wollte, durch die Zentrale.
    Dance und Connie Ramirez sahen sich an.
    An jenem Abend gingen sie auf Einkaufstour, und als der arme Kollege am nächsten Tag zur Arbeit kam, lag sein gesamtes Büro unter einem Spinnennetz aus Netzstrümpfen und glänzenden Synthetikstrumpfhosen. Einige Produkte zur weiblichen Intimhygiene lockerten das Dekor auf. Der Mann lief jammernd zum damaligen CBI-Chef Stan Fishburne, der während des Gesprächs echte Mühe hatte, keine Miene zu

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