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Die Menschenleserin

Die Menschenleserin

Titel: Die Menschenleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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der draußen Wache hielt, und erfuhr, dass es weder im noch rund um das Haus besondere Vorkommnisse gegeben hatte.
    Sie bedeutete Samantha, sie möge aussteigen. Die Frau zögerte, verließ dann den Wagen, kniff die Augen zusammen und sah sich genau um. Angesichts der Umstände war ihre Vorsicht natürlich verständlich, aber Dance spürte, dass noch mehr dahintersteckte.
    Samantha lächelte matt. »Die Gerüche, das Geräusch der Brandung... ich bin seit dem Prozess nicht mehr auf der Halbinsel gewesen. Mein Mann bittet mich dauernd, doch mal einen Wochenendausflug hierher zu unternehmen. Ich habe dann immer eine tolle Ausrede parat. Allergien, Übelkeit beim Autofahren, eilige Manuskripte, die bearbeitet werden müssen.« Ihr Lächeln erstarb. Sie schaute zu dem Haus. »Hübsch.«
    »Es hat nur zwei Schlafzimmer. Ich habe nicht mit Ihnen gerechnet.«
    »Falls es eine Couch gibt, kann ich darauf schlafen. Bitte machen Sie sich keine Mühe.«
    Samantha die Anspruchslose, die Zurückhaltende, erinnerte Dance sich.
    Maus .
    »Ich hoffe, es wird nur eine Übernachtung nötig sein.« Kathryn Dance trat vor und klopfte an die Tür zur Vergangenheit.
     
    Der Toyota stank nach Zigarettenqualm, was Daniel Pell hasste.
    Er selbst hatte nie geraucht, obwohl er während seiner Zeit in San Quentin und Capitola mit Zigaretten gehandelt hatte wie ein Makler auf dem Parkett einer Aktienbörse. Die Angehörigen seiner Familie hatten rauchen dürfen – aus jeder Art von Abhängigkeit lässt sich natürlich Kapital schlagen -, aber er verabscheute den Geruch. Er musste dann immer an seine Jugend denken, sah seinen Vater in dessen großem Lehnsessel sitzen, in der Bibel lesen, sich Notizen für Predigten machen, die niemand je zu hören bekommen würde, und dabei rauchen wie ein Schlot. (Daneben seine Mutter, rauchend und trinkend.) Sein Bruder rauchte zwar nicht und tat auch sonst kaum etwas, zerrte den jungen Daniel aber aus jedem seiner Verstecke – dem Schrank, dem Baumhaus, dem Badezimmer im Keller. »Ich mach doch die ganze Drecksarbeit nicht allein.«
    Am Ende machte sein Bruder überhaupt nichts von der Arbeit; er drückte Daniel lediglich einen Putzeimer, eine Toilettenbürste oder ein Geschirrtuch in die Hand und traf sich mit seinen Freunden. Wenn er wieder nach Hause kam, verpasste er seinem Bruder gelegentlich eine Tracht Prügel, falls nicht alles picobello war – und manchmal sogar dann.
    Reinlichkeit, mein Sohn, ist ein Ausdruck von Gottesfurcht. Daran ist viel Wahres. Und jetzt polier die Aschenbecher. Ich möchte, dass sie funkeln.
    Pell und Jennie fuhren nun mit offenen Fenstern durch die Gegend, sodass Kiefernduft und kalte salzige Luft durch den Wagen wirbelten.
    Jennie rieb sich mal wieder die Nase, als wolle sie den Höcker wegmassieren, und blieb still. Sie war zufrieden, schnurrte zwar nicht, aber hatte sich beruhigt. Seine Reserviertheit am Vorabend, nachdem sie am Strand davor zurückgeschreckt war, ihm bei dem vermeintlichen Mord an Susan Pemberton zu helfen, hatte genau den gewünschten Effekt gehabt. Sie waren ins Sea View Motel zurückgekehrt, und Jennie hatte das Einzige getan, von dem sie wusste, dass es ihr erneut seine Zuneigung sichern würde – und zwar zwei anstrengende Stunden lang. Zunächst hatte er sich gesträubt und mürrisch getan, aber sie hatte sich nur umso mehr bemüht. Allmählich fand sie sogar Gefallen am Schmerz. Es erinnerte ihn an einen Ausflug, den die Familie vor vielen Jahren zur Carmel Mission unternommen hatte. Dort hatte er von Mönchen erfahren, die sich eigenhändig blutig peitschten und so im Namen Gottes in Verzückung gerieten.
    Aber das ließ Daniel Pell schon wieder an seinen untersetzten Vater denken, wie er ihn mit leerem Blick über die Bibel hinweg und durch eine Wolke aus Zigarettenrauch ansah, also schob er die Erinnerung beiseite.
    Nach dem Sex gestern Abend hatte er sich Jennie gegenüber wieder etwas freundlicher verhalten. Aber dann war er nach draußen gegangen und hatte so getan, als würde er telefonieren.
    Nur um sie im Unklaren zu lassen.
    Bei seiner Rückkehr hatte sie sich nicht nach dem Anruf erkundigt. Pell hatte sich wieder dem Material aus Susan Pembertons Büro zugewandt und war online gegangen.
    Heute Morgen hatte er Jennie mitgeteilt, dass er jemanden besuchen müsse. Dann hatte er es wirken lassen und ihre zunehmende Unsicherheit verfolgt – die Berührungen der Nase, das halbe Dutzend Mal »mein Schatz« -, bevor er schließlich sagte:

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