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Die Menschenleserin

Die Menschenleserin

Titel: Die Menschenleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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»Ich möchte, dass du mitkommst.«
    »Wirklich?« Ein durstiger Hund, der etwas Wasser aufleckte.
    »Ja. Aber ich weiß nicht. Vielleicht ist es zu schwierig für dich.«
    »Nein. Ich möchte aber. Bitte.«
    »Wir werden sehen.«
    Sie hatte ihn zurück zum Bett gezogen und dort das Spiel um das Gleichgewicht der Kräfte fortgesetzt. Er ließ sich vorübergehend wieder in ihr Lager lotsen.
    Nun aber während der Fahrt hatte er keinerlei Interesse an ihrem Körper und alles wieder fest unter Kontrolle.
    »Wegen gestern, am Strand...«, sagte er. »Ich war irgendwie in komischer Stimmung. So ist das immer bei mir, wenn etwas in Gefahr gerät, das mir viel bedeutet.« Es war eine Art Entschuldigung – wer kann dem schon widerstehen? – sowie die Mahnung, dass es erneut geschehen könnte.
    »Das ist eines der Dinge, die ich an dir liebe, Schatz.«
    Kein »mein Schatz« mehr. Gut.
    Als Pell noch im Besitz seiner Familie gewesen war, sorgsam versteckt in der kleinen Stadt Seaside, hatte er sich zahlreicher Techniken bedient, um Jimmy und die Mädchen zu kontrollieren. Er hatte ihnen gemeinschaftliche Ziele vorgegeben, alle Belohnungen gleichmäßig verteilt und ihnen Aufgaben übertragen, ohne den Grund dafür zu nennen. Er hatte sie so sehr im Ungewissen belassen, dass es sie fast bei lebendigem Leib aufgefressen hätte.
    Und er hatte getan, womit sich am zuverlässigsten die Ergebenheit stärken und jede Unstimmigkeit vermeiden ließ – er hatte einen gemeinsamen Feind geschaffen.
    »Wir haben noch ein Problem, Liebling«, sagte er nun.
    »Oh. Fahren wir da jetzt hin?« Ein Griff zur Nase. Es war ein erstklassiger Stimmungsmesser.
    »Genau.«
    »Ich sagte doch schon, Schatz, das Geld ist mir egal. Du brauchst es mir nicht zurückzuzahlen.«
    »Das hier hat nichts damit zu tun. Es ist wichtiger. Viel wichtiger. Ich bitte dich nicht darum, zu tun, was ich gestern getan habe. Du sollst niemandem Schaden zufügen. Aber ich brauche ein wenig Hilfe. Und ich hoffe, du wirst mir helfen.«
    Er spielte sorgfältig mit der Betonung.
    Sie würde jetzt über das vorgetäuschte Telefonat vom letzten Abend nachdenken. Mit wem hatte er gesprochen? Mit jemandem, den er außer ihr um Hilfe bitten konnte?
    »Klar, ich tue, was ich kann.«
    Sie fuhren an einer hübschen, etwa achtzehnjährigen Brünetten vorbei, die auf dem Bürgersteig ging. Pell registrierte sofort ihre Körperhaltung und Miene – den entschlossenen Schritt, das wütende, nach unten gerichtete Gesicht, das ungekämmte Haar -, die darauf schließen ließen, dass sie nach einem Streit die Flucht ergriffen hatte. Vielleicht vor ihren Eltern, vielleicht vor ihrem Freund. So herrlich verletzlich. Ein Tag Arbeit und Daniel Pell hätte sie davon überzeugt, mit ihm abzuhauen …
    Der Rattenfänger ...
    Doch nun war natürlich nicht der geeignete Augenblick dafür, und er ließ sie ziehen. Er verspürte die Enttäuschung eines Jägers, der leider nicht am Straßenrand halten und den perfekten Rehbock schießen kann, der auf einem nahen Feld steht. Trotzdem ließ er sich nicht aus der Ruhe bringen; es würde zukünftig noch jede Menge solcher jungen Leute geben.
    Außerdem wusste Pell, dass seine Jagdlust schon bald befriedigt werden würde. Er griff nach der Pistole und dem Messer, die in seinem Hosenbund steckten.

... Dreiunddreißig

    Auf dem Gelände des Point Lobos Inn öffnete Rebecca Sheffield die Tür des kleinen Hauses. »Willkommen zurück«, begrüßte sie Dance. »Wir haben geplaudert und Ihr Geld beim Zimmerservice verprasst.« Sie nickte in Richtung einer Flasche Jordan Cabernet, von dem nur sie trank.
    Rebecca schaute zu Samantha und erkannte sie nicht. »Hallo«, sagte sie und glaubte wahrscheinlich, die Fremde sei eine weitere Beamtin, die mit dem Fall zu tun hatte.
    Die Frauen gingen hinein. Dance schloss und verriegelte die Tür.
    Samantha sah von einer Frau zur anderen. Es schien, als habe sie ihre Stimme verloren, und einen Moment lang fürchtete Dance, sie würde sich umdrehen und weglaufen.
    Rebecca stutzte und sah genauer hin. »Augenblick. O mein Gott!«
    Linda runzelte fragend die Stirn.
    »Erkennst du sie denn nicht?«, rief Rebecca.
    »Was meinst du...? Halt... Bist du das, Sam?«
    »Hallo.« Die schlanke Frau war vollkommen verunsichert. Ihr fahriger Blick wanderte ständig umher.
    »Dein Gesicht«, sagte Linda. »Du siehst so anders aus. Wow.«
    Samantha zuckte die Achseln und wurde rot.
    »Ja, hübscher. Und du hast etwas Fleisch auf den Rippen.

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