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Die Menschenleserin

Die Menschenleserin

Titel: Die Menschenleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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glaubten, eine solche Miene würde bei Männern funktionieren. Das war ein Irrtum, und er würde es ihr bei Gelegenheit beibringen. Aber vorerst gab es für sie ein paar wichtigere Lektionen zu lernen.
    »So, jetzt geh und schneid dir die Haare.«
    »Meine Haare?«
    »Ja. Und färb sie. Die Leute im Restaurant haben dich gesehen. Ich habe braunes Färbemittel für dich gekauft. In dem mexikanischen Laden.« Er zog eine Schachtel aus der Tüte.
    »Oh. Ich dachte, das sei für dich.«
    Sie lächelte verlegen, griff nach einigen Strähnen und wickelte sie sich um die Finger.
    Daniel Pell wollte mit dem Haarschnitt in erster Linie erreichen, dass man sie nicht so einfach wiedererkennen würde. Aber Jennies Haar war wie schon die kostbare rosafarbene Bluse noch aus einem anderen Grund für ihn besonders interessant. Er wusste noch, wie sie auf dem Parkplatz des Einkaufszentrums in dem Thunderbird gesessen und sich stolz die blonde Mähne gebürstet hatte.
    Ach, was wir nicht alles von uns preisgeben ...
    Sie wollte sich die Haare nicht abschneiden. Sie wollte es ganz und gar nicht. Langes Haar war wichtig für sie. Er vermutete, dass sie es irgendwann hatte wachsen lassen, um sich nicht mehr so hässlich vorzukommen. Als eine Art jämmerlichen Triumph über ihre flache Brust und die höckerige Nase.
    Jennie blieb auf dem Bett. »Schatz«, sagte sie nach einem Moment. »Ich meine, ich schneid sie mir, klar. Was immer du willst.« Noch eine Pause. »Aber ich hab mir gedacht, wäre es nicht besser, wenn wir jetzt abhauen würden? Nach allem, was bei dem Restaurant gewesen ist? Ich könnte es nicht ertragen, falls dir etwas zustoßen würde... Lass uns einfach ein anderes Auto besorgen und nach Anaheim fahren! Dort machen wir uns ein schönes Leben. Versprochen. Ich mache dich glücklich. Ich sorge für uns. Du kannst zu Hause bleiben, bis man nicht mehr nach dir sucht.«
    »Das klingt wunderbar, mein Liebling. Aber wir können noch nicht von hier weg.«
    »Oh.«
    Sie wollte eine Erklärung. Pell sagte bloß: »Und jetzt geh und schneid dir die Haare.« Flüsternd fügte er hinzu: »Schneid sie kurz. Richtig kurz.«
    Er gab ihr die Schere. Sie nahm sie mit zitternden Fingern.
    »Okay.« Jennie ging in das kleine Badezimmer und schaltete alle Lampen ein. Dann teilte sie die Haare in Abschnitte ein und steckte sie sich hoch – entweder weil sie es früher als Friseurin so gelernt hatte oder weil sie Zeit schinden wollte. Sie starrte in den Spiegel und fummelte nervös mit der Schere herum. Die Tür lehnte sie ein Stück an.
    Pell setzte sich so auf das Bett, dass er Jennie genau beobachten konnte. Ungeachtet seines früheren Protests spürte er, wie sein Puls sich beschleunigte und der Ballon in ihm wieder anwuchs.
    Na los, mein Liebling, mach schon.
    Weinend hob sie eine der Strähnen an und schnitt sie ab. Atmete tief durch und schnitt erneut. Sie wischte sich das Gesicht ab und schnitt weiter.
    Pell beugte sich mit großen Augen vor.
    Dann zog er sich Hose und Unterhose herunter. Er nahm sein Glied fest in die Hand und fing an, im selben Rhythmus zu onanieren, in dem das blonde Haar zu Boden fiel.
    Jennie kam nicht besonders schnell voran. Sie versuchte, es ordentlich hinzukriegen. Und sie musste oft innehalten, um vor lauter Schluchzen wieder zu Atem zu kommen und sich die Tränen wegzuwischen.
    Pell war völlig auf sie konzentriert.
    Er atmete schneller und schneller. Schneid schon, Liebling. Schneid schon!
    Ein-oder zweimal wäre er fast gekommen, aber es gelang ihm gerade noch rechtzeitig, das Tempo zu verringern.
    Es gab nichts, das er nicht unter Kontrolle hatte.
     
    Das Monterey Bay Hospital war in schöner Umgebung abseits eines gewundenen Stücks des Highway 68 errichtet worden, einer Strecke höchst unterschiedlicher Ausprägung, die über Schnellstraßen, durch Gewerbegebiete und sogar Dörfer verläuft, von Pacific Grove durch Monterey und weiter nach Salinas. Sie ist eine der Lebensadern von John-Steinbeck-Land.
    Kathryn Dance kannte das Krankenhaus gut. Sie hatte hier ihren Sohn und ihre Tochter zur Welt gebracht. Sie hatte hier auf der Herzstation nach der Bypassoperation die Hand ihres Vaters gehalten, sie hatte hier neben dem Bett eines CBI-Kollegen gesessen, der nach drei Schüssen in die Brust um sein Leben rang.
    Und sie hatte hier in der Leichenhalle ihren toten Ehemann identifiziert.
    Das MBH lag inmitten der von Kiefern bewachsenen Hügel bei Pacific Grove. Zwischen den flachen, weitläufigen

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