Die merkwuerdigen Faelle des Dr. Irabu
unter Druck zu setzen.«
Als sie auf die Hauptstraße kamen, fuhr neben ihnen eine große Limousine auf gleicher Höhe. Das hintere Fenster öffnete sich, und ein Kameraobjektiv schob sich heraus. Irabu wendete sich zur Seite und machte mit der freien Hand das Victoryzeichen.
»Was machen Sie denn da?«
»Vielleicht komme ich wieder in die Zeitung.«
Kraftlos fiel Mitsuo in den Sitz zurück. Aus diesem Menschen wurde er nicht schlau.
Mehrere Autos waren inzwischen zu ihnen aufgeschlossen. An beiden Seiten und hinter ihnen waren sie nahezu eingekreist. Obwohl auch noch andere Autos auf der Straße fuhren, gab es Paparazzi, die vollkommen sinnlos mit ihren Kameras blitzten.
»Man wird ja richtig geblendet«, rief Irabu aus und versuchte seine Augen mit der Hand zu schützen, woraufhin das Auto ins Schlingern kam.
»Jetzt unterlasst das endlich, ihr Rabauken!!«, schrie Mitsuo in Richtung der Fotoreporter.
»Jetzt haben die mich wütend gemacht!«, sagte Irabu, riss das Steuer herum und fuhr dicht an den Wagen des Blitzers heran. Der Fahrer der schwarzen Limousine war so überrascht, dass er eine Vollbremsung machte und der Wagen zur Seite ausbrach. In dem Moment hörten sie ein lautes Scheppern, als das Auto hinter ihnen in ein anderes Fahrzeug hineinkrachte.
»Meine Güte, was machen Sie da?«, rief Mitsuo und erhob sich leicht. »Was, wenn jemand zu Schaden kommt?«
»Das haben die sich selbst zuzuschreiben. Wer sich in Gefahr begibt …«
»Trotzdem...«
»Keine Sorge, die sind bestimmt versichert.«
Irabu schien das nicht im Geringsten zu berühren. Als die
Paparazzi wieder herangekommen waren, trat Irabu das Gaspedal durch. Der Bentley röhrte auf und machte einen Satz. Mit quietschenden Reifen passierten sie eine Straßenecke.
»Hehe, ob die einem Turbo mit 400 PS folgen können?«
»Hören Sie mal. Dafür habe ich Sie aber nicht angerufen. Es reicht, wenn Sie mich nach Hause bringen«, protestierte Mitsuo und hielt sich mit einer Hand am Türgriff fest.
»Da kommen schon wieder welche. Die legen es wirklich auf eine Verfolgungsjagd an.«
Irabus Augen funkelten.
»Sind Sie meschugge? Lassen Sie den Quatsch, ich bitte Sie.«
Ausgerechnet in dem Moment fuhr Irabu auf die Stadtautobahn. Wieder machte der Bentley einen Satz nach vorne.
»Wow, der geht ab, was?«, jauchzte Irabu. Mitsuo hatte einen solchen Irren noch nicht gesehen. Mit beiden Füßen stemmte er sich gegen das Armaturenbrett, während der Fahrtwind ihm die Haare durchwirbelte. Warum musste er mit seinen achtundsiebzig Jahren das mit sich machen lassen?
Der Wagen fuhr auf der Autobahn mit rasender Geschwindigkeit. Bei dem Rennen wurde Mitsuos Körper hin und her geworfen, sein Trommelfell vibrierte vom heulenden Motor. Vor seinen Augen flog in einem 360-Grad-Winkel die nächtliche Großstadtlandschaft an ihm vorüber. Ansammlungen von riesigen Hochhäusern standen wie Wälder nebeneinander und unzählige Lichter ließen den Himmel über der Stadt hell erstrahlen. Er hatte den Eindruck, inmitten der Kulisse eines Sciencefictionfilms zu sein. Trotz des Tempos verfiel Mitsuo in eine Art Trance. Die in allen Farben funkelnden Neonlichter, die immer wieder rot aufblinkenden Bremslichter der Autos vor ihnen, die abends bunt angestrahlte Rainbow Bridge über dem Hafen von Tokio: Jeden Abend war die Stadt ein einziges Lichtermeer.
Plötzlich kam er wieder zu sich. War das die Zukunft? War das die fortschrittliche Stadt, die er sich früher vorgestellt hatte?
Mitsuo war neunzehn Jahre alt, als der Krieg zu Ende ging. Tokio war damals völlig zerstört. Wenn es Nacht wurde, legte sich ein pechschwarzer Himmel über die Stadt. Der Oberschüler träumte davon, die Stadt wieder neu aufzubauen. Es würde seine eigene Generation sein, die ein neues Japan schuf. Er brannte vor Ehrgeiz. Den Beruf des Zeitungsjournalisten ergriff er, weil er dachte, so am ehesten an der Gesellschaft teilhaben zu können. Er bemühte sich, unrechtes Tun von Politikern bloßzustellen, den Schwachen zu helfen und dem Land zu dienen. Er wollte Japan zu einer der führenden Nationen in der Welt machen.
Während die grellen Lichter an ihm vorbeizogen, erschienen vor ihm seine Jugendtage wie in einem Kaleidoskop.
Als 1960 der Premierminister Hayato Ikeda großartig seinen Einkommensverdoppelungsplan angekündigt hatte, war Mitsuo bei der Pressekonferenz anwesend, schrieb mit und konnte kaum seiner Aufregung Herr werden. Bei der Entscheidung für Tokio als
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