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Die merkwuerdigen Faelle des Dr. Irabu

Titel: Die merkwuerdigen Faelle des Dr. Irabu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hideo Okuda
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Zeitung. Was für ein merkwürdiger Mensch. Aber gestern hatte ihm die Polizei gehörig den Kopf gewaschen, und er war ziemlich niedergeschlagen gewesen.
    Endlich fand er ein Foto von sich. Ohne den Blick abzuwenden, betrachtete er es aufmerksam. Fünf Sekunden, zehn Sekunden, ließ seine Augen über jedes Detail schweifen. Er sah auch die Fotos in den Tageszeitungen. Es waren Schnappschüsse, auf denen er den Eindruck machte, als würde er es darauf anlegen, fotografiert zu werden. Ihm wurde heiß, und am liebsten hätte er sich irgendwo verkrochen.
    »Hmm, alt und hässlich bleibt man am Leben«, murmelte er vor sich hin. Er hatte genug. Das war das letzte Mal gewesen.
    Er knüllte die Zeitungen zusammen und warf sie in die Ecke. Über die Sprechanlage rief er Kinoshita zu sich.
    »Beraumen Sie für den Nachmittag eine Pressekonferenz an. Ich werde heute von allen Ämtern zurücktreten, Zeitung und Vereine, alles.«
    Kinoshita wurde blass und blieb wie angewurzelt stehen.
    »Herr Vorsitzender, das kommt ein bisschen plötzlich. Die Zustimmung vom Vorstand haben Sie auch noch nicht.«
    »Jetzt seien Sie schon still. Ich habe mich entschieden und damit basta. Ich danke Ihnen jedenfalls für die bisherige Arbeit.«
    Mitsuo lehnte sich tief in seinen Bürosessel und blickte Kinoshita an. Seit er Direktor geworden war, arbeitete Kinoshita unter ihm.

    »Das meine ich aufrichtig. Ich habe Ihnen viel zugemutet.«
    »Nicht doch, Herr Vorsitzender …«
    Kinoshita, dessen angegrautes Haar zeigte, dass auch er in die Jahre gekommen war, wusste nicht, was er sagen sollte.
    Das war jetzt das Ende eines langen Weges. Von nun an konnte er nur noch ruhig warten, bis die Götter ihn zu sich beriefen. Oder würde man ihn in die Hölle schicken?, fragte er sich und quittierte diese Überlegung mit einem säuerlichen Lächeln.
     
    Zur Pressekonferenz erschienen mehr als dreihundert Medienvertreter. Da er damit rechnen musste, wegen der Blitzlichter eine Panikattacke zu erleiden, bat er Irabu, anwesend zu sein. Doch es bestand dafür nicht die geringste Notwendigkeit, wie sich herausstellen sollte. Das Blitzlichtgewitter ertrug er mit stoischer Gelassenheit. Irabu hatte wohl Recht gehabt: Man musste dem Tod nur ins Auge sehen.
    Die Fragen der Reporter waren wie üblich ordinär: ob sein Rücktritt nur vorgeschoben sei, damit er im Hintergrund weiterhin die Fäden spinnen könne.
    »Aus dem Baseballgeschäft werde ich mich vollständig zurückziehen. Was die Zeitung betrifft, werde ich nur noch als Berater fungieren. Die Hälfte meiner Aktien werde ich verkaufen, mit anderen Worten: Ich gehe in Rente. Ich werde gar nichts mehr machen.«
    »Wenn Ihr Nachfolger für den Verein Sie um Rat bittet, werden Sie ihm helfen?«
    »Meine Beraterfunktion ist auf die Zeitung beschränkt und ohnehin nur pro forma. Ich habe doch schon gesagt, dass ich mit Baseball nichts mehr zu tun haben werde.«
    »Wenn der Bevollmächtigte oder der Ligaverbandschef Sie um Rat fragen, sagen Sie auch nein?«, fragte ein aufdringlicher Reporter, der nicht locker lassen wollte.

    »Warum sollte mich jemand um Rat fragen, nachdem ich keinen Verein mehr habe?«
    »Und wenn doch?«
    »Sie sind aber wirklich hartnäckig. Ich betone noch einmal: Ich ziehe mich aus dem Geschäft zurück. Am besten denken Sie, ich wäre gestorben. Ja, genau: Ich werde meine Beerdigung noch zu Lebzeiten zelebrieren. Sie alle sind herzlich dazu eingeladen. Sind Sie nun zufrieden? Aber wenn Sie kommen, bringen Sie gefälligst das Beileidsgeld mit.«
    Die Reporter gerieten bei diesen mit großem Nachdruck gesprochenen Worten in helle Aufregung. Seinen Untergebenen von der Zeitung, die seitlich vom Podium standen, fielen fast die Augen aus dem Kopf. Irabu dagegen gähnte unverhohlen.
    »Sie scheinen geheilt«, meinte er fröhlich nach der Pressekonferenz.
    Wenn es notwendig war, könnte er sich auch in einen Sarg legen. Nun hatte er vor nichts mehr Angst.
     
    Zu Mitsuos vorab veranstalteter Trauerfeier kamen mehr als dreitausend Menschen und knapp fünfhundert Journalisten. Und das war nur die Spitze des Eisbergs. Ununterbrochen gab es Anfragen von Menschen, die teilnehmen wollten, oder Fernsehsendern, die sich die Exklusivrechte für die Übertragung dieses bis dahin beispiellosen Spektakels in der Geschichte Tokios zu sichern versuchten.
    Der Veranstaltungsort war die große Halle des Tokyo International Forum , des Messezentrums. Auf der Bühne stand ein Altar, neben dem Sarg ein Sofa, auf

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