Die merkwuerdigen Faelle des Dr. Irabu
schrie er mit einer jämmerlichen Stimme auf. Wo war er hier nur hingeraten?
Nach der Injektion sagte die Krankenschwester nachlässig: »Das macht dann einen Bonus im Gegenwert von dreißig Überstunden.«
»Wie…? Letztes Mal musste ich aber nur für zwanzig Überstunden zahlen.«
»Ich bin dabei, einen Kredit für eine neue Gitarre abzuzahlen.«
Takaaki versuchte verzweifelt, sich zu überzeugen, dass er wach war und nicht träumte.
»Aus diesem Grund kommen Sie eine Weile zur Behandlung her, Herr Anpo.«
»Was soll das heißen: ›aus diesem Grund‹? Das können Sie mit mir nicht machen, Herr Doktor.« Endlich fand Takaaki wieder zur Sprache zurück. »Wollen Sie mit unnötigen Spritzen die Behandlungskosten in die Höhe treiben?«
»Na gut, dann bekommen Sie die umsonst.«
»Ziemlich nachlässige Haltung, muss ich sagen.«
»Sie sind wirklich pingelig, Herr Anpo. Wir in der Neurologie sehen die Dinge nicht so eng, da wir Krankheiten behandeln, die keiner Logik folgen.«
Takaaki fehlten die Worte.
»Also, ich meine… das stimmt nicht.«
»Was stimmt nicht?«
»Alle Krankheiten haben eine Ursache. Auch Nervenkrankheiten haben irgendwo ihren Ausgangspunkt, bis sie sich zu dem entwickeln, was sie sind. Eine Therapie, die das nicht analysiert, kann zu keinem Ergebnis kommen.«
»Meine Güte, Sie sind vielleicht spitzfindig«, meinte Irabu mit betrübtem Gesicht. »Sie können gehen, wenn Sie wollen.« Irabu winkte ihn mit einer kurzen Handbewegung nach draußen.
»Und wie lautet Ihrer Meinung nach die Diagnose?«, versuchte Takaaki noch einmal unaufgeregt zu kontern.
»Wie gesagt, frühes Alzheimersyndrom. Ich verschreibe Ihnen etwas.«
»Nein, das ist nicht logisch. Wenn Sie mir das nicht vernünftig erklären können, dann akzeptiere ich das nicht.«
Auf einmal fühlte er sich erschöpft. Er sah auf seine Armbanduhr. Jetzt hatte er schon zwanzig Minuten an diesen Dummkopf verschwendet. Es war wohl besser, diesen Ort so schnell wie möglich zu verlassen.
»Offen gesagt, ich sehe nicht ein, was Hiragana mit Logik zu tun hat«, meinte Irabu nasepopelnd auf seinem Sessel. »Was besteht zum Beispiel für eine Logik zwischen den Silben me () und nu (), die sich nur in einem Häkchen unterscheiden, aber unterschiedlich ausgesprochen werden.«
Takaaki, der schon am Aufstehen war, hielt in der Bewegung inne. Was sollte er darauf antworten?
»Oder wie wäre es mit dem Aufsatzthema Erklären Sie den Unterschied zwischen wa ( ) und ne ( ) in fünfzig Zeichen ?«
Irabu machte schmale Augen und lachte. Wieder hatte Takaakis Kopf einen Filmriss. Wie sah das Hiragana ne noch mal aus? Nein, nein. Dafür hatte er keine Zeit. Er hatte heute einen Terminplan im Minutentakt. Er streifte sich sein Jackett über und ging zur Tür. »Sagen Sie der da, sie soll den Unterschied zwischen ro () und ru () erklären«, warf er ihm beim Rausgehen mit verkniffenem Gesicht hin. Er hatte genug.
Doch gleichzeitig war er bestürzt, dass er sich diese beiden Zeichen nicht vorzustellen vermochte.
2 ___
Am nächsten Tag hatte Takaaki morgens mehrere Auftritte im Fernsehen. Seine Firma hatte bekanntgegeben, eine private Rundfunkstation zu kaufen, und damit Aufsehen in der Öffentlichkeit erregt. Der Radiosender Nippon Hōsō war der größte Aktionär des Fernsehsenders Edo-TV, und der Besitz der Rundfunkanstalt würde automatisch bedeuten, dass er auch seine Finger nach dem Fernsehgeschäft ausstrecken wollte. Eine bessere Methode, sein Internetunternehmen auszuweiten, gab es nicht.
»Herr Anpo, haben Sie vor, die Vorherrschaft über die Medien zu übernehmen?«, fragte ein schon alternder Moderator, der früher Rundfunkjournalist gewesen war, angriffslustig.
»Nein, überhaupt nicht. Durch die Vereinigung der schon bestehenden Medien und des Internets möchte ich den gegenseitigen Unternehmenswert steigern.« Takaaki sprach ruhig und mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Er trug mit Jackett und T-Shirt sein übliches legeres Outfit, das zu seinem Markenzeichen geworden war.
»Sie haben aber in Ihrer letzten Pressekonferenz das Wort ›Herrschaft‹ benutzt. Medien haben aber in erster Linie die Pflicht und die Verantwortung, zu berichten. Das heißt, sie dienen dem Recht des Volkes auf Information. Insofern ist es ein grundsätzlicher Irrtum zu glauben, man könnte alleine nach Gutdünken schalten und walten. Als Journalist bin ich zutiefst empört über Ihre Wortwahl.«
»Na na, jetzt regen Sie sich mal nicht so auf.
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