Die merkwuerdigen Faelle des Dr. Irabu
Gut, ich habe ›Herrschaft‹ gesagt. Das war nur eine rhetorische … äh, wie sagt man noch gleich …?«
»Eine rhetorische Figur?«
»Ja, genau, eine rhetorische Figur. Ich habe nicht vor, als Diktator aufzutreten. Aber jeder Fernsehsender, jede Zeitung hat ihr eigenes Profil, richtig? Und es bestehen mehr oder weniger auch gewisse Präferenzen in der Programmgestaltung, könnte man sagen. Zum Beispiel kann man anstelle sinnloser Dokumentarfilme die Unterhaltungsschiene stärker profilieren.«
»Das ist ein Punkt, der mir nicht gefällt. Was soll denn das heißen: ›sinnlose Dokumentarfilme‹? Es sind genau solche trockenen Umfragesendungen, die die Korrumpiertheit der Mächtigen ans Licht gebracht haben.« Der Moderator hieb mit Nachdruck auf den Tisch. Auch wenn er zur Hälfte schauspielerte, war es nicht Takaakis Stil, sich in der gleichen Weise öffentlich zu erregen.
»Diese Sicht von Fernsehen ist doch völlig überholt. Wir leben im Zeitalter der Vielfältigkeit, und da frage ich mich, warum terrestrisches Fernsehen so etwas senden muss. TV soll die Menschen packen und für weitere Informationen auf das Internet verweisen. Warum kommen die Verantwortlichen nicht auf diese Idee? Das Netz ist ein effektives Medium für Nischenbedürfnisse.«
»Mit dieser Denkweise bin ich nicht einverstanden. Die Funk- und Printmedien sind etwas ganz anderes als das Internet. Das Internet kennt keine Verantwortung. Es ist ein Übel, das nicht nachprüfbare Information je nach Interesse beliebig fließen lässt.«
»Das Internet ein Übel? Das kann ich so nicht stehen lassen!«
Takaaki hatte es allmählich satt. Dieser Moderator war bekannt für sein Geschick, die Studiogäste zu provozieren.
»Wenn es kein Übel ist, was ist es dann?«
»Sie sind doch der festen Überzeugung, dass Fernsehen und Zeitungen Medien mit Sonderrechten sind. Das ist die Arroganz
einer Elite, die glaubt, sie allein hätte das Recht gepachtet, das Volk mit Nachrichten zu versorgen.«
»Nein, Herr Anpo, das sehen Sie falsch.«
Der seine Stirn in tiefe Falten ziehende Moderator hatte Schaum in den Mundwinkeln.
Mist, seufzte Takaaki innerlich, es war ein Fehler, in diese Sendung zu gehen. Eine Unterhaltungssendung wäre besser gewesen. Er hatte den Eindruck, in den letzten Tagen vergeblich versucht zu haben, Dinosauriern die moderne Kultur zu erklären. Als das Streitgespräch im Wesentlichen zu Ende war, bat der Moderator Takaaki, eine Art Botschaft an die Zuschauer auf eine Tafel zu schreiben, was anscheinend Brauch in dieser Sendung war. Er bekam Stift und Brett in die Hand gedrückt, um einen zuvor ausgedachten Satz zu schreiben. Beim letzten Zeichen stockte er. Wie schrieb sich das Zeichen noch gleich? Er versuchte angestrengt, sich die Computertastatur bildlich vorzustellen, und tippte mit den Fingern in die Luft. Da es ein Liveprogramm war und er keine Zeit hatte, blieb ihm nichts anderes übrig, als den Satz um dieses eine Zeichen unvollständig zu lassen.
RU - Die Zeiten ändern sich.
Der Moderator machte ein Gesicht, als hätte er Essig getrunken.
»Herr Anpo, was soll denn dieses RU am Ende bedeuten?«
»Ich wollteschreiben, aber mir fiel das letzte Silbenzeichen in dem Moment nicht ein.«
»Was sagen Sie da? Sie wollen sich wohl über diese Sendung lustig machen?«
Wieder schlug der Moderator auf den Tisch.
»Aber nein, ich hatte nicht die Absicht…«
Takaaki versuchte zu beschwichtigen, doch vor lauter Aufregung konnte er sich nicht kontrollieren. Die Zuschauer hielten ihn bestimmt für einen jungen Mann, der seinen Spaß mit dem
Moderator trieb. Aber was hätte er anderes tun können, wenn ihm dieses Silbenzeichen nicht einfiel?
Nach der Sendung sprach ihn der Moderator auf einmal ganz jovial an. »Sie sind wirklich ein Ausbund an Ruhe, Herr Anpo. Sie hätten schon noch etwas ärgerlicher für mich werden können.«
»Ärger halte ich für Energieverschwendung«, antwortete Takaaki gelassen. Tatsächlich hatte er schon seit Jahren nicht mehr die Stimme erhoben, weil er dafür nicht seine wertvolle Energie verbrauchen wollte.
»Energieverschwendung? Aber was machen Sie, wenn Sie sich über etwas ärgern?«
»Ich widerspreche. Untergebene ermahne ich. Aber wütend werde ich nicht, da das kontraproduktiv ist.«
»Das mag sein, aber wenn man wütend ist, ist man eben wütend.«
Nein, sollte er auf einen kläffenden Köter zornig sein? Das hätte er am liebsten gesagt, hielt sich aber zurück. Wenn er sein
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