Die merkwuerdigen Faelle des Dr. Irabu
am Vortag. Mitsuyo und Kumi wechselten einen vielsagenden Blick.
»Frau Shiraki, dann nehmen Sie doch bitte auch meinen Kuchen. Ich steh nicht so auf Süßes«, sagte ein Fotograf und stellte seinen Schokoladenkuchen vor sie hin.
Konnte der das nicht selbst essen?
»Wirklich? Das ist aber wirklich nett«, schauspielerte sie instinktiv.
»Nein, nein, das geht nicht«, kam Mitsuyo mit vorwurfsvollem Gesicht herangesprungen.
»Pro Tag nur eine Süßspeise haben wir doch abgesprochen. Bitte heute keinen Kuchen mehr an Frau Shiraki.«
Mitsuyo nahm den Kuchen weg und stellte ihn zurück in die Schachtel. Kaoru war dankbar für dieses feinfühlige Zuspiel ihres Managers.
»Das ist unfair. Du bist wie ein diebischer Affe in Nikko. Süßigkeiten sind doch die Energiegrundlage für Frauen!«, blies sie in gespielter Entrüstung die Backen auf.
Das war eine gute Szene, dachte sie. Im Off-Kommentar würde es heißen, dass sich Frau Shiraki auch keine Gedanken um ihre Figur machte. Doch einen Kuchen hatte sie schon gegessen,
noch dazu einen, der praktisch nur aus Zucker bestanden hatte.
Das Fotoshooting ging weiter und diesmal stand sie in einem anderen Kleid am Fenster. Sie setzte einen wehmütigen Blick auf und sah auf die unter ihr liegende Stadt. Von hinten wurde die Beleuchtung auf sie gerichtet, so dass sie im Fensterglas ihr Spiegelbild sehen konnte.
Genau vor ihr befand sich ihr Gesicht und unter ihren Augen sah sie eine Falte. Igitt, das war doch die, die sie vor kurzem entdeckt hatte. Dieser unfähige Maskenbildner! Im Schatten würde man das sofort bemerken. Ihr Blick fiel auf die Arme, die unbedeckt waren. Plötzlich sahen sie für ihren Geschmack etwas zu kräftig aus. Das für junge Leute gedachte Oberteil betonte ihre Körpersilhouette deutlich. Selbst die Hose spannte bedenklich.
Auf einmal fühlte sie eine Hitze in ihrem Magen, als ob sie Sake getrunken hätte. Sie fühlte, wie der Zucker gerade ihren Körper durchdrang.
Langsam wich ihr die Farbe aus dem Gesicht. Das konnte sie nicht zulassen. Wenn sie jetzt nichts tat, würde der eben verspeiste Kuchen sich als Fett in ihrem Körper niederschlagen. Sie musste etwas tun! Ach, Unsinn, versuchte sie sich wieder zu beruhigen. Man nimmt ja nicht gleich nach dem Essen zu. Sie machte sich einfach zu viel Gedanken.
Verzweifelt versuchte sie, sich selbst zu überzeugen, doch ergriff sie zunehmend eine nervöse Unruhe.
»Gut, sehr gut. Dieser Ausdruck von Trauer ist genau richtig«, feuerte sie der Fotograf in diesem Moment an.
Zu einer Antwort war sie nicht fähig, und lange konnte sie die verharrende Pose nicht mehr durchhalten.
»Können wir als Nächstes nicht eine etwas lebendigere Szene aufnehmen?«, sagte sie fröhlich, als der Auslöser mal nicht klickte.
»Was meinen Sie mit ›lebendiger‹?«
»Na ja, zum Beispiel wie ein siebzehnjähriges Mädchen zum ersten Mal in einem Luxushotel übernachtet und so aufgedreht ist, dass sie sich alleine austobt.«
»Hmm, davon steht eigentlich nichts im Storyboard«, antwortete der Fotograf sichtlich verlegen.
»Man kann doch auch improvisieren, oder?«
Kaoru nahm einen kurzen Anlauf und sprang in das Kingsize-Bett. Der Fotograf erkannte die Absicht und brachte seinen Fotoapparat in Stellung. Kaoru fing an, im Bett auf und ab zu springen, und der Auslöser ratterte wie ein Maschinengewehr. Sie warf das Kissen gegen die Wand und trat es wie einen Fußball durch die Luft, als es zurückprallte. Sie zerraufte ihr Haar, tobte unbekümmert durch das Zimmer und stieß dabei seltsame Schreie aus.
Taktvoll schaltete jemand von der Crew den hotelinternen Radiokanal mit Popmusik ein und regelte die Lautstärke so, dass sie die Schreie übertönte. Kaoru sprang derweil zum Rhythmus der Musik durch das Zimmer.
»Ach ja, ich kann übrigens auch steppen. Wollen Sie mal sehen?«
»Hmm… ja gut, warum nicht.« Der Fotograf lächelte gequält. Auch die anderen Teammitglieder rangen sich zu einem Lächeln durch, wohl aus Pflichtgefühl.
Sie schlüpfte in Pumps und begann im großen Badezimmer zu steppen. Vom Marmorboden hallte das trockene Klacken der Schuhabsätze. Kaoru bewegte ihre Beine wie ein Profi. Sie hatte das in ihrer Zeit im Musicalensemble erlernt, und insofern war sie schon von anderem Kaliber als die Fernsehtalente mit ihren hastig erlernten Kunststückchen.
»Wirklich beeindruckend.«
»Gell?«
Stolz tanzte sie weiter. Auch das Fernsehteam ließ sich nicht lumpen und filmte. Sie waren bestimmt
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