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Die merkwuerdigen Faelle des Dr. Irabu

Titel: Die merkwuerdigen Faelle des Dr. Irabu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hideo Okuda
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gewählt wird, dann wirst du deines Lebens nicht mehr froh.«
    »Jetzt hören Sie mir doch zu! Ich bin doch nur zeitweilig hierherversetzt und muss alles der Stadtverwaltung berichten.«
    »Hä? Zeitverschwendung! Nachdem die Brüder in Tokio das städtische Gymnasium geschlossen und das Flughafenprojekt aufgegeben ham, schulden die uns was. Kurz gesagt: Die ham uns abgeschrieben und mischen sich eh nich’ mehr ein.«
    Tokumoto erhob sich und schob den Tisch beiseite. Ryōhei fragte sich, was er vorhatte, als Tokumoto sich niederkniete. Als Muroi und Kobayashi das sahen, folgten sie seinem Beispiel.
    »Miyazaki, bitte tu uns diesen Gefallen, hilf uns!«, sagte Tokumoto, und alle drei beugten ihren Kopf bis auf den Boden.
    Ryōhei war bestürzt.
    »Aber nicht doch, meine Herren, ich bitte Sie …«
    Ganz automatisch setzte er sich auch auf den Boden, nahm die formelle Sitzposition ein, bei der man kniend auf den Fersen saß, und verneigte sich, das Gesicht schweißüberströmt.
    »Wenn du uns nich’ hilfst, dann werden wir hier noch weitere vier Jahren als Knechte behandelt«, sagte Muroi.
    »Ich bitte Sie. Ersparen Sie mir das!«

    »Um alles in der Welt, Miyazaki, lass uns nicht im Stich!«
    Beide Seiten fuhren fort, sich gegenseitig zu verneigen, um ihrer Bitte Nachdruck zu verleihen. Ryōhei stieg das Blut in den Kopf, und ein Gefühl der Übelkeit überkam ihn.
    »Na gut, du lässt uns keine Wahl …« Alle drei hielten ihn fest und steckten ihm den Briefumschlag mit dem Geld in seine Jackentasche.
    Als er die blutunterlaufenen Augen dieser Männer im mittleren Alter sah, bekam er es mit der Angst zu tun. Wenn das eigene Leben auf dem Spiel stand, waren Menschen zu allem fähig. Die Regeln der Gesellschaft wurden nur aufrechterhalten, solange man selbst keine Nachteile davon hatte.
    Sein Magen begann zu schmerzen. Morgen würde er zu Irabu gehen und sich etwas verschreiben lassen. Als er wieder im Freien war, sah er am strahlend blauen Himmel über sich einen Schwarzmilan, der elegant seine Kreise zog.

3 ___
    Das Behandlungszentrum mit Blick aufs Meer war vom ersten Tag an überfüllt mit Patienten. Als ob die Menschen von der Insel lange darauf gewartet hätten, strömten sie zu der Praxis, vor deren Eingang aus welchen Gründen auch immer unzählige Katzen herumstreunten. Ryōhei ging hinein und wurde von Irabu mit aufgeräumter Stimme begrüßt.
    »Hallo, Herr Miyazaki. Nur herein in die gute Stube!«
    In seinem weißen Doktorkittel saß Irabu breit in einem großen Sessel und machte den Eindruck eines feisten Sektenführers.
    »Herr Doktor, wo haben Sie denn diesen Sessel her?«
    »Den habe ich mir vom Hotel ausgeliehen. Diese Bürostühle hier sind unbequem.«

    »Aha …«
    Auch heute trug die Krankenschwester Mayumi ihren Minirock und verpasste gerade einer alten Frau eine Spritze. Als sein Blick auf den Ausschnitt der Krankenschwester fiel, musste er unwillkürlich schlucken.
    »Was issen das für’ne Spritze?«, fragte die alte Frau.
    »Ist schon gut, Tantchen«, ignorierte Mayumi sie.
    »Herr Doktor, meine Nervenschmerzen wer’n immer schlimmer.«
    »Da empfehle ich Ihnen Sonnenbäder auf der Veranda«, antwortete Irabu und riss sich ein Haar aus der Nase.
    »Und das hilft?«
    »Garantiert!«, sagte Irabu beschwingt, worauf die Frau mit gerunzelter Stirn das Zimmer verließ.
    »Herr Doktor, fehlt es Ihnen an irgendetwas?«
    »Nachts ist es dunkel hier. Einen Convenience Store gibt es auch nicht, und das Fernsehbild ist nicht scharf«, beschwerte sich Irabu mit spitzem Mund.
    »Nein, ich meine hier in Ihrer Praxis.«
    »Ach so …« Irabu kratzte ausgiebig seinen fetten Hals
    »Tja, ein Computertomograph wäre nicht schlecht. Würde sich gut in der Praxis machen.«
    »Sie belieben zu scherzen, Herr Doktor. Dafür haben wir hier kein Budget. Und für die Bedienung eines solchen Geräts bräuchte man doch auch ausgebildetes Personal.«
    »Das könnte doch die Herstellerfirma zur Verfügung stellen. Am besten wäre ein Gerät mit einem Monitor auf dem neuesten technischen Stand.«
    »Tun Sie, was Sie nicht lassen können.« Ryōhei verspürte wenig Lust, weiter darauf einzugehen.
    Der nächste Patient kam ins Zimmer und bekam ebenfalls eine Spritze, ohne dass man ihn nach seinen Beschwerden gefragt
hatte. Da die älteren Menschen von der Insel kein Misstrauen kannten, stellten sie keine Fragen.
    »Jetzt is draußen wieder dieser Lärm, nich?«, sprach eine ältere Frau Irabu wie selbstverständlich an.

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