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Die Merle-Trilogie 02 - Das steinerne Licht

Die Merle-Trilogie 02 - Das steinerne Licht

Titel: Die Merle-Trilogie 02 - Das steinerne Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Merle, was ich damals brauchte, war ein eigenes Königreich, mit eigenen Untertanen und Arbeitern. Es gelang mir und einigen meiner Kollegen, denen ich mich anvertraut hatte, einen Großteil der Lilim zu einen, durch simple Dinge, ein paar technische Tricks, Spielzeug aus dem Zauberhut der Kolonialherren aller Zeitalter. Die Lilim mögen für unsere Augen aussehen wie Bestien, aber im Grunde sind sie nichts anderes als die Eingeborenen, die die Spanier und Portugiesen in Südamerika vorgefunden haben oder die Franzosen in Indonesien. Mit ein wenig Nachdruck lassen sie sich manipulieren und kontrollieren.«
    »Mit Gewalt, meinen Sie.«
    »Das auch, ja. Aber nicht nur, und nicht an erster Stelle. Wie gesagt, ein wenig Technik, ein paar simple Spielereien können hier Wunder wirken. Und als wir sie erst einmal so weit hatten, dass sie uns dienten, und wir uns die Kraft des Steinernen Lichts zu Nutze machen konnten, waren wir auch in der Lage, mit größeren Wundern aufzuwarten. Den fliegenden Herolden, zum Beispiel. Oder anderen Kräften, die auf den ersten Blick wie Zauberei erscheinen, wie etwa das Zertrümmern und Durchbohren von Fels in großem Maßstab. Und natürlich die Herzen aus Stein, die einen Organismus am Leben halten und ihn kontrollieren.«
    »Ist das etwa keine Zauberei?«
    »Nun, ja, das kommt auf den Blickwinkel an. Es hat sicher etwas von Magie, und, ehrlich gesagt bezweifle ich, dass der Chirurg selbst versteht, was er da tut. Die eigentliche Arbeit übernimmt das Herz - der Stein.«
    Merle wischte sich Schweiß von der Stirn, obwohl es hier unten, trotz der Nähe zum Steinernen Licht, nicht wirklich warm war. Sie blickte hinab auf die gleißende Wölbung. »Es ist das Gleiche. Genau das Gleiche.«
    »Was meinst du?«, fragte er verwundert.
    »Das Steinerne Licht. Der Morgenstern. Die Kugel da unten in der Erde. Sie ist selbst so etwas wie ein riesiges Herz, das im Zentrum von Axis Mundi schlägt.«
    Begeistert stimmte er zu. »Freut mich, dass du von selbst auf diesen Gedanken kommst. Du hast genau ins Schwarze getroffen. Meine eigene Theorie ist, dass der Morgenstern - woher auch immer er gekommen ist - wie ein Herz funktioniert, das unendlich lange auf der Suche nach einem Organismus war, den es antreiben konnte. Bis es schließlich hier einschlug. Die Welt der Lilim kann man, genau wie jede Gesellschaft, mit einem großen Lebewesen vergleichen. Einst war die Stadt, auf deren Trümmern wir Axis Mundi errichtet haben, der Mittelpunkt dieser Welt. Als sie zerstört wurde, zerfiel die Kultur der Lilim, weil sie nicht in der Lage waren, die Macht des Lichts zu nutzen. Heute aber, dank unserer Hilfe, geht es den Lilim besser denn je. Mit dem Steinernen Licht habe ich ihrem Volk ein neues Herz gegeben, und nun wächst der Organismus dieser Gesellschaft heran und gedeiht zu etwas noch Größerem, Besserem.«
    »Sehen das die einzelnen Lilim genauso?«
    Burbridges Euphorie kühlte ab. »Sie sind wie Ameisen. Die Einzelnen zählen nicht, nur das Volk ist von Bedeutung. Der Einzelne mag Leid erdulden, oder Schmerz, oder Erschöpfung, aber die Gesamtheit zehrt davon und zieht daraus Gewinn.«
    Merle schnaubte. »Sie ziehen daraus Gewinn. Nicht die Lilim.«
    Er musterte sie einen Moment lang eingehend, und in seinen Augen stand plötzlich Enttäuschung. »Siehst du das wirklich so?« Als sie keine Antwort gab, straffte er sich und schritt schneller aus. Es war offensichtlich, dass er zornig war. Ohne sich umzublicken, fuhr er fort: »Welchen Gewinn sollte ich daraus ziehen? Reichtum vielleicht? Pah, ich hätte ja nicht einmal Gelegenheit, ihn zu genießen. Was sonst? Luxus? Nein. Freiheit? Wohl kaum, denn mein Leben gehört längst nicht mehr mir, sondern dieser Welt. Macht? Vielleicht, aber daran liegt mir nichts. Ich bin kein größenwahnsinniger Diktator.«
    »Die Antwort haben Sie sich doch schon selbst gegeben.«
    »So?«
    »Sie tun es für die Wissenschaft. Nicht für die Lilim, vielleicht nicht mal für sich selbst. Nur für die Wissenschaft. Das ist eine andere Form der Macht. Oder des Größenwahnsinns. Denn Ihre Forschungen werden niemandem helfen, weil kein Mensch je davon erfahren wird.«
    »Vielleicht doch. Irgendwann.«
    Es hatte keinen Zweck. Er wollte sie nicht verstehen. Und es spielte auch keine Rolle mehr. »Eines müssen Sie mir noch verraten.«
    »Frag nur.«
    »Warum erzählen Sie mir das alles? Ich meine, ich bin nur irgendein Mädchen.«
    »Nur irgendein Mädchen?« Seine linke

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