Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis
gelungener Spaß, Mutter? Ein hübscher Schreck, wie? Ich hab dazu extra ein Bad genommen!«
»Vom Teufel bist du besessen! Du wirst in der Hölle landen!«
König Chlodwig, der immer noch an der Bordwand döste, hatte den Vorfall nicht mitbekommen. Nur die letzten Worte der Königin nahm er auf.
Er hob ein wenig den Kopf und murmelte: »In der Hölle landen wir alle.«
Kapitel 13
Der kurze Tumult am Heck des Schiffes wurde auch in einer Kabine des vorderen Teils wahrgenommen, in die sich der kaiserliche Gesandte Leonidas mit einer Dame zurückgezogen hatte. Beunruhigt schlug er den Vorhang zurück und stieg die Stufen zum Deck hinauf. Der Kapitän kam ihm schon entgegen und meldete den Vorfall.
»Nichts von Bedeutung, Herr. Die Franken treiben wieder mal Unfug.«
»Muss ich eingreifen?«
»Nicht nötig, Herr.«
Der junge Gesandte kehrte in die Kabine zurück. Scylla hatte inzwischen ihre Tunika übergestreift und die Perücke noch einmal sicher befestigt. Sie trug nun ständig künstliches Haar, nachdem sie ihr eigenes infolge einer Hauterkrankung plötzlich verloren hatte.
»Nun?«, fragte sie.
»Es ist nichts«, sagte er auf Griechisch. »Die Franken vergnügen sich.«
»Wie ich sie hasse«, sagte sie, sich ebenfalls ihrer Muttersprache bedienend. »Wie ich das alles satthabe. Ihre Dummheiten. Ihre Grobheiten. Sind wir hier auch vor Chlodwig sicher?«
»Vollkommen. Er war schon betrunken, als wir das zweite Mal ablegten.«
»Er ist ekelhaft, er wird nun alt. Sein ganzer Körper ist mit hässlichen Narben und Schwären bedeckt. Ach, wie ich darunter schon gelitten habe!«
»Du kannst dich ja an meinem Körper erfreuen. Er ist noch so glatt wie am Tag der Geburt.«
Leonidas öffnete seinen seidenen Mantel und glitt neben ihr auf das von Kissen und Decken überquellende Lager. Er schob ihre Tunika hoch und streichelte ihre Schenkel.
»Wir haben noch Zeit. Die brauchen jetzt keinen Gastgeber mehr.«
Sie wehrte ihn ab, sanft und bestimmt.
»Erst einmal die Belohnung, die du versprochen hast.«
»Dass du dafür noch ein Geschenk willst! Bin ich dir nicht Geschenk genug? Ich hoffte schon, dass du mich liebst.«
»Aber ja, ich liebe dich, mein Adonis. Aber ja, ich weiß, du bist für mich ein Geschenk.« Sie strich über sein glänzendes, schwarzes Haar. Wie ein Helm lag es über dem schönen Gesicht des Gesandten, dessen einziger Makel das wie in Marmor gemeißelte Lächeln war, das gewöhnlich zwar angenehm und gewinnend, in gewissen Augenblicken aber auch schmierig und sogar abstoßend wirkte.
»Du liebst deinen Adonis, und trotzdem bestehst du darauf?«, fragte er, indem er ihren Hals und Nacken mit Küssen bedeckte.
»Leider bin ich schon eine betagte Venus«, sagte die Dreiundvierzigjährige und rückte von ihm weg. »Ich muss an die Zukunft denken, die ich nicht mehr auf einen Liebhaber, sondern auf meinen Sohn baue. Deshalb muss ich wissen, was los war.«
Leonidas seufzte.
»Du warst doch die meiste Zeit dabei, hast gedolmetscht, hast sogar mit verhandelt. Du bist über alles unterrichtet.«
»Nicht über alles. Heute wurde ich ausgeschlossen. Du hast schon zugegeben, dass noch ein Geheimabkommen getroffen wurde. Und du hast versprochen, mich einzuweihen. Bedenke, wie viel davon für mich abhängen könnte!«
»Aber es ändert sich dadurch kaum etwas«, sagte er ausweichend. »Das Ziel ist und bleibt, ein gotisches Reich, das Italien und Gallien umfasst, zu verhindern. Anastasius kann nun einmal nicht dulden, dass sich Theoderich eines Tages zum Kaiser des Westens aufwirft. Er will deshalb eine starke Francia und ein gestärktes Burgund, damit sich Ost- und Westgoten nicht vereinigen können.«
»Das weiß ich ja. Sobald Gesalich an der Macht ist, wird er mit Chlodwig, Gundobad und Sigismund Bündnisse schließen. Die Beziehungen zu Theoderich werden abgebrochen. Aber das wurde ja alles schon vor ein paar Tagen besprochen. Was war heute?«
»Nun … es ging natürlich um Einzelheiten. Vor allem um den zeitlichen Ablauf. Unsere Flotte muss rechtzeitig vor der kalabrischen Küste kreuzen. Es müssen Landeversuche vorgetäuscht werden. Wir sind zwar augenblicklich nicht in der Lage, Italien zurückzuerobern, aber es muss so aussehen, als ob wir es vorhätten. Das zwingt Theoderich, dort zu bleiben. Gleichzeitig überschreiten die Franken und die Burgunder die Grenze der Westgoten. Da mussten Kalenderzeiten bis auf Wochengenauigkeit festgelegt werden, damit die Unternehmungen unserer
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