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Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis

Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis

Titel: Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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ein Wunder geschehen, das alle Wunder, die es bisher in Gallien gab, in den Schatten stellt!«
    »Wie? Etwa auch die Löschung des Brandes im Königspalast von Vienne mit meinen Tränen?«, fragte Avitus ungläubig.
    »Ich fürchte – ja«, sagte der kleine Kahlkopf verschmitzt. »Die Mauer einer der größten Städte – ich sage dir aber noch nicht, welcher – wird von selbst niedersinken, sobald König Chlodwig, der Befreier, erscheint und sie ansieht.«
    »Er sieht sie nur an – und schon sinkt sie? Unmöglich!«
    »Ein Wunder eben.«
    »Und das ist zu machen?«
    »Ich würde dir ja noch mehr erzählen. Aber du bist ja leider ein Plauderer, Avo.«
    »Ich schweige wie das leere Grab Christi. Bitte, Remi, du folterst mich. Rede!«
    »Nun … Der Bischof dort arbeitet mit einem Festungsbaumeister zusammen, einem der Unsrigen. Der kann sich unbeargwöhnt an der Mauer bewegen. Sie werden unter ihr einen Stollen graben. Stützpfeiler werden eingezogen und angesägt. Wenn nun die Franken erscheinen, genügen ein paar kräftige Axthiebe und – paff! Der Stollen stürzt ein, die Mauer fällt. Jedenfalls ein so großes Stück von ihr, dass die Franken hindurchmarschieren können.«
    »In der Tat, das ist nicht schlecht ausgedacht«, sagte Avitus säuerlich. »Aber man wird abwarten müssen, ob es gelingt. Wie wollen sie denn …«
    Er schwieg erschrocken, weil er in diesem Augenblick einen kräftigen Schlag auf die Schulter bekam. Als er aufsah, bemerkte er Chlodwig. Der lange König war stockbetrunken und schwankte weit stärker als der Schiffsmast.
    »Ich möchte schwören«, sagte er launig, mit träger Zunge, »dass ihr heiligen Seelenfänger schon wieder etwas ausheckt, um mir Ungelegenheiten zu machen.«
    »Aber, König, wie kämen wir dazu?«, sagte Avitus mit heiterer Miene. »Du wandelst auf Gottes Wegen – wir folgen dir, wir begleiten dich. Wie werden wir dich behindern!«
    »Wir haben nur Sorge, dass wir nicht mithalten können«, fügte Remigius halb schmeichelnd, halb spöttisch hinzu. »Wenn du erst vorwärtsstürmst mit Gottes Segen …«
    »Gottes Segen? Den brauche ich nicht!«, fuhr ihn Chlodwig an. »Den könnt ihr behalten. Den habe ich überhaupt nie gebraucht!«
    Eine Bewegung des Schiffs warf ihn gegen die Reling, und er musste sich festhalten, um nicht zu straucheln.
    Er stieß einen Fluch aus und wiederholte: »Nein, den habe ich nie gebraucht! Der lahme Sigibert hat nämlich recht. Sein Haufen war es, der mich am Rhein gerettet hat – wenn auch erst im letzten Augenblick. Dafür, dass er mich so lange zittern ließ, wird er mir irgendwann noch mal büßen. Aber gerettet hat er mich, das ist wahr, und ich begriff das auch bald und dachte: Was bist du doch für ein Blödian, diesem Christengott einen Schwur zu leisten! Aber dann dachte ich wieder, vielleicht war er es doch, der mir den Sieg brachte, und zog nach Burgund und verließ mich auf ihn. Ja, Teufelsscheiße! Nun endlich erkannte ich klar: Der kann es auch nicht. Ebenso wenig wie Wodan oder die anderen. Aber das liegt nicht daran, dass sie alle unfähig sind. Der Grund ist ein anderer. Ihr wollt ihn wissen? Soll ich ihn euch verraten? Es gibt sie gar nicht! Sie sind überhaupt nicht vorhanden! Sie sind nicht da, sie sind nirgendwo! Mich aber … mich gibt es. Und ich – ich – ich, Chlodwig … ich bin, und ich kann es! Verstanden? Ich muss die Sache nur richtig anpacken – so!« Er ballte die Faust. »Dann brauche ich keinen Allmächtigen oder sonst wen. So etwas wie in Burgund passiert mir nicht wieder. Diesmal bin ich auf alles vorbereitet. Und ich werde mich auf keinen da oben verlassen, sondern nur auf einen hier unten: mich selbst!«
    Das Schiff schwankte wieder, und der König glitt aus. Die beiden Bischöfe wollten ihm auf die Beine helfen, aber er wehrte sie ab und blieb sitzen, den Rücken gegen die Schiffswand gelehnt.
    »Nun seid ihr enttäuscht, wie?«, fuhr er in seiner Betrachtung fort. »Nun kennt ihr die Wahrheit. Aber macht euch nichts draus. Euern Allmächtigen gibt es zwar gar nicht, trotzdem ist er sehr nützlich. Auch mir ist er nützlich, das gebe ich zu. Bin ich begierig auf Land, auf Städte, auf Gold, auf Schätze und ziehe los und nehme mir alles, dann kann ich sagen: Gott hat es gewollt! Und wenn Gott ein Dreifaltiger ist, hat es der Dreifaltige gewollt. Früher wollten es Wodan und Jupiter. Und wenn ich schlau bin, sage ich nicht zu denen, die ich ausplündern und beherrschen will: ›Es war mein

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