Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis
Flotte und eurer Heere zusammenwirken.«
»Das ist mir ja auch nichts Neues!«, sagte Scylla ungeduldig. »Ihr bleibt so lange im Adriatischen Meer, bis Gesalich in Toulouse zum König gewählt ist und mit Chlodwig und den Burgundern Frieden geschlossen hat. Was hätte sich daran geändert?«
»Nichts. Nur scheint nicht sicher zu sein, dass dein Sohn Gesalich wirklich gewählt wird.«
»Wer sonst?«
»Amalarich. Der Sohn Alarichs und der Thiudigotho.«
»Ein Fünfjähriger! Das ist doch lächerlich. Nicht in dieser Lage. Sie brauchen einen König, der mannbar ist und der führen kann.«
»Und gerade das traut man deinem Sohn nicht zu.«
»Woher willst du das wissen?«
»Es gibt neue Berichte unserer Spione. Gesalich hat wenig Rückhalt unter den Großen im Westgotenreich.«
»Das ist nicht wahr! Ich selber habe zu mehreren geheime Verbindungen. Er ist schon jetzt populärer als Alarich.«
»Lass dich nicht täuschen. Sein Alter …«
»Er ist einundzwanzig!«
»Er ist gerade erst fünfzehn. Du gebarst ihn im zweiten Jahr nach der Flucht des Syagrius zu Alarich vor sechzehn Jahren. Wir wissen das alles sehr genau«, sagte Leonidas, wobei sein Lächeln den unangenehmen Zug bekam.
»Er ist mannbar, und das ist entscheidend!« ,beharrte Scylla. »Und ich werde ja immer an seiner Seite sein und dafür sorgen, dass er tut, was von ihm erwartet wird.«
»Und was wird aus der Gotin und ihrem Sohn?«
»Auch das lasst meine Sorge sein!«, sagte sie leise, aber mit harter Betonung. »Und nun will ich endlich wissen, was heute …«
»Wir sprechen ja schon darüber. Mein Herr, der Kaiser, will Sicherheit, die ihr nicht bieten könnt … weder dein Sohn noch du noch eure Anhänger. Wenn das Westgotenreich in Gallien weiterbesteht, bleibt die Lage unsicher und gefährlich. Zu viele werden das Bündnis mit den Franken nicht wollen und ihre Verwandten aus Italien herbeiwünschen. Es würde zu Unruhen kommen. Man würde deinem Sohn nach dem Leben trachten. Und wir können Theoderich nicht ewig fernhalten. Wenn es weiter ein mächtiges Reich der Westgoten gibt …«
»Aber Gesalichs Reich wird ja viel kleiner als das jetzige sein! Chlodwig und die Burgunder werden ja große Gebiete …«
»Große Gebiete genügen nicht.« Leonidas kämpfte noch einen Augenblick mit sich, bevor er fortfuhr: »Kurz und gut. Die Westgoten müssen aus Gallien verschwinden.«
»Verschwinden?«, rief sie.
»Ihr Reich mag in Spanien weiterbestehen. Große Teile der Halbinsel haben sie ja. Aber es soll an den Pyrenäen enden. Gallien wird künftig gotenfrei sein!«
»Gotenfrei? Das habt ihr beschlossen?«
»Ja. Das haben wir heute beschlossen. Drei Viertel den Franken, ein Viertel den Burgundern – so wird Gallien künftig aufgeteilt. Keine Aussicht für beide Gotenvölker, sich jemals wieder zu vereinigen. Ich verrate dir das, damit du keine falschen Hoffnungen nährst und dich vorsiehst. Man wird leicht lästig – und überflüssig. Nimm diese Warnung als Beweis meiner Liebe.«
Es schien, dass sein Lächeln jetzt aufrichtig war.
Die Griechin schwieg. Ihre Hände nestelten unstet an der kleinen Goldfibel mit Almandineinlagen an ihrer Schulter, die sie nur angesteckt hatte, um sich als künftige Herrscherin über ein Germanenvolk nicht völlig germanischen Kleidungsgewohnheiten zu verweigern.
Plötzlich krampfte sich ihre Faust um die Fibel, riss sie ab und schleuderte sie in eine Ecke. »Das ist Verrat!«, sagte sie mit gepresster Stimme. »Chlodwig hat mich hereingelegt. Remigius hat mich hereingelegt. Ihr alle habt mich hereingelegt! Bis jetzt hieß es: Gesalich ist unser Mann. Er wird in Toulouse zum König gewählt und dort auch regieren – ein verkleinertes Reich. Aber natürlich ein gallisches Reich! Damit war ich einverstanden … im Namen meines Sohnes. Doch jetzt … jetzt will man uns vertreiben!«
»Ihr werdet euch auch in Spanien einrichten können«, sagte Leonidas matt.
»Aber ich will nicht in diesem öden Land unter wilden Gebirgsstämmen um mein Leben zittern! Ich will in Toulouse herrschen, wo ich Königin werden sollte. Hier in Gallien, wo man leben und atmen kann. Dafür kämpfe ich seit fünf Jahren. Dafür habe ich alles geopfert. Wie viele Geschenke wurden heimlich hinübergeschafft, über die Loire – zu denen, die dort Einfluss haben. Ich kenne sie ja alle von früher, die edlen Herzöge und Grafen. War das jetzt alles umsonst?«
»Vielleicht war es nicht genug. Unter den Herren, die deinen Sohn
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