Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis
Gott, der es gewollt hat‹ – nein! ›Es war unser Gott, deiner und meiner.‹ Habe ich recht? Das ist schlauer! Das hast du mir ja sogar selber erklärt, Bischof«, wandte er sich an Remigius. »Wenn es ihr eigener Gott ist, der es gewollt hat … umso besser! Dann haben sie keinen Grund, sich zu wehren. Dann würden sie ja ihren Gott beleidigen, wenn sie sich wehrten und nicht stillhielten, und sie würden sich um die ewige Seligkeit bringen. Und so kannst du dir jede Schurkerei erlauben! Du musst nur jenen, denen du aufs Maul haust, im Namen ihres Gottes aufs Maul hauen – da können sie sich nicht beklagen, das müssen sie aushalten. Und deshalb musst du so tun, als ob ihr Gott auch dein eigener wäre. So einfach ist das!«
Er lachte in sich hinein und verstummte. Die beiden heiligen Männer sahen sich an, und keiner wusste so recht, was er darauf antworten sollte und ob es überhaupt Sinn hatte, jetzt dem König zu widersprechen. Avitus wollte schließlich doch etwas dazu sagen, aber Chlodwig kam ihm zuvor.
»Ihr beide habt das natürlich auch längst begriffen, ihr Schlauberger! Ihr habt mich zum Befreier erhoben, zum Kämpfer für den wahren Glauben. Das ist gut, dafür lobe ich euch, es erspart mir viel Arbeit. Ich kann meine eigenen Leute schonen und muss von den anderen nur halb so viele totschlagen. Und das Komische dabei ist: Ich befreie sie von ihrem Gott – und bringe ihnen denselben wieder, nur diesmal in Gesellschaft von Jesus und dem Heiligen Geist. Das ist wirklich zum Lachen. Aber wenn es sie glücklich macht …«
Er wurde schläfrig. Der Kopf sank ihm auf die Brust. Die langen, grauen Haarsträhnen fielen ihm über das Gesicht. Mit verschränkten Armen, die Beine von sich gestreckt, saß er an der Schiffswand. Er murmelte noch etwas, das aber vom Rauschen des Wassers übertönt wurde. Dann verstummte er endgültig.
»Das ist ja entsetzlich!«, sagte Avitus halblaut, indem er sich seinem Amtsbruder zuneigte. »Er leugnet Gott!«
»Aber du siehst doch, dass er voll ist«, sagte Remigius. »Sobald er nüchtern ist, glaubt er wieder. Das hat er uns ja eigentlich auch zu verstehen gegeben.«
Plötzlich erhob sich irgendwo vorn am Bug des Schiffes Geschrei.
Hilferufe ertönten, und im nächsten Augenblick kamen hinter dem Hauptmast zwei junge Männer hervor, die einen dritten stützten, der anscheinend völlig erschöpft war. Sein Haar klebte im Gesicht, es tropfte von seinen Kleidern. Seine Beine schleiften nach. Die beiden Gefährten schleppten ihn vor die Königin. Hier hob er den Kopf. Es war Theuderich.
»Mutter!«, keuchte er. »Ein Unglück!«
»Was ist denn passiert?«, fragte Chlotilde ungehalten, weil sie gerade mit der Erzählung einer heiteren Episode aus ihrer Kindheit begonnen hatte. »Du bist ja ganz nass! Warum trinkst du so viel! Bist du ins Wasser gefallen?«
»Meine Brüder … meine armen Brüder … sie sind …«
»Die Kinder?«, schrie sie. »Was ist mit ihnen?«
»Sie ließen das Beiboot zu Wasser … ruderten los … es kenterte … und sie …«
»Und sie?«
»Ertrunken! Alle drei tot … Ich sprang ihnen nach … konnte sie aber nicht mehr retten.«
Die Königin heulte auf. Sie stieß ihren Armstuhl zurück und erhob sich wankend. Man eilte hinzu. Sie schlug nach denen, die ihr helfen wollten. Schreiend taumelte sie über die Schiffsplanken, rief ihre drei Söhne:
»Chlodomer! Childebert! Chlothar! Meine Engel, wo seid ihr?«
Gefolgt von ihren kreischenden Damen, stürzte sie von einer Seite der Galeere zur anderen, starrte verzweifelt auf die dunklen Wellen mit den im Mondlicht glitzernden Schaumspitzen, schrie immer wieder die Namen.
König Sigismund rief nach dem Kapitän. Einige Herren verlangten, sofort die Fahrt zu stoppen. Da man schon auf dem Rückweg war, legten die Ruderknechte sich kraftvoll in die Riemen. Zwei Burgunder stürzten an die Luke, die zu ihnen unter das Deck führte.
Sie fuhren betroffen zurück. In der Luke erschien ein Kinderkopf mit zerzauster Merowingermähne.
»Was ist denn, Mutter?«, rief Chlodomer.
Ein zweiter, ein dritter Kopf tauchten auf. »Wir sind hier unten! Wir helfen rudern!«, krähten Childebert und Chlothar.
Chlotilde griff sich ans Herz.
Da brach Theuderich, der noch vor wenigen Augenblicken halbtot war, in ein tolles Gelächter aus. Auch seine beiden Kumpane lachten, vorsichtshalber nicht ganz so laut.
»Du elender Bastard!«, schrie die Königin. »Du Scheusal!«
»War das nicht ein
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