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Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis

Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis

Titel: Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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Richtung. Nach etwa drei Meilen würde dieser Weg auf den breiteren, festeren zwischen Soissons und Berny stoßen. Dann noch einmal vier Meilen, und man kam, ohne Soissons zu berühren, auf die alte Römerstraße, die von Auxerre über Troyes und Reims nach Amiens führte. Diesen Ort noch am Abend, wie vorgesehen, zu erreichen, war Scylla jetzt entschlossen.
    Doch nach kaum zwei Meilen bemerkte sie, als sie hinter sich blickte, die Verfolger. Auf einem längeren, geraden Stück Weges, dessen Mitte sie kaum erreicht hatte, sah sie sie auftauchen. Drei Reiter waren es, zweifellos Männer von Ursios Trupp. Sie waren noch etwa vierhundert Schritte entfernt.
    In voller Fahrt nahm Scylla die nächste Wegbiegung und verlor sie für kurze Zeit aus den Augen. Aber kaum waren weitere dreihundert Schritte zurückgelegt, kamen sie hinten unter den Bäumen hervor.
    Scylla peitschte die Pferde. Der Wagen hüpfte polternd und quietschend über die Unebenheiten des Weges. Die Truhe tanzte auf den Brettern. Noch eine Wegbiegung – und der Abstand verringerte sich auf kaum hundert Schritte. Links und rechts wucherte dichtes Unterholz, es gab keine Möglichkeit, seitlich auszuweichen.
    Scylla tastete nach ihrem Gürtel. Da war nichts. Nicht einmal den kleinen Dolch, den sie immer auf Reisen bei sich trug, hatte sie noch mitnehmen können. Was konnte sie gegen drei Angreifer ausrichten? Aber waren es drei? Plötzlich schienen es sogar vier zu sein. Oder doch nur drei? Einer fiel offensichtlich zurück: Die drei anderen behinderten sich. Es sah aus, als wollten sie sich vom Wege abdrängen.
    Wieder kam eine Biegung, und Bäume verstellten die Sicht. Aber im letzten Augenblick hatte Scylla noch einen der Männer vom Pferd stürzen sehen.
    Als sie sich abermals umblickte, waren es nur noch zwei Verfolger. Die beiden ritten hart nebeneinander, und nun war es deutlich: Sie versuchten, sich gegenseitig vom Pferd zu stoßen.
    Nur einer der beiden war noch ein Mann der Eskorte des Ursio. Der andere musste der sein, der plötzlich dazugekommen war. Er trug eine schwarze Augenbinde. Im ersten Augenblick wollte sie abspringen und in den Wald fliehen. Doch gleich sah sie ein, dass es sinnlos wäre, er würde sie einholen.
    Gerade bog sie auf den breiten Weg nach Berny ein. Bis zum Königsgut waren es weniger als drei Meilen, dort würde sie in Sicherheit sein. Aber der knappe Vorsprung reichte nicht. Blieb noch die Hoffnung auf Reisende, die nach der Hauptstadt oder dem Gut unterwegs waren.
    Vergebens strengte sie ihre Augen an. Kein Reiter, kein Wagen kam ihr entgegen. Und hinter ihr war nur noch ein Verfolger, ein einziger.
    Scylla entschloss sich, das Rennen aufzugeben. Wieder einmal war sie in einer Bedrängnis, aus der nur ein kühner Sprung nach vorn, ein dreistes Manöver Befreiung versprach. Sie hielt die Pferde an. Dicke Schaumflocken hingen an ihren Lefzen. Die Carruca stand mitten auf dem Weg. Scylla saß auf der Lenkerbank und zog krampfhaft die Mundwinkel auseinander. Es sollte ein Lächeln sein, das von der Angst in ihren Augen ablenkte.
    Ihr Verfolger nahm sich jetzt Zeit. Seit er bemerkt hatte, dass sie aufgab, ließ er sein Pferd im Schritt gehen. Scylla hörte den sich langsam nähernden Huftritt im Sand.
    Er kam von rechts. Im letzten Augenblick hatte sie noch einmal den Einfall, abzuspringen und nach links in den Wald zu flüchten. Doch als sie ihn ausführen wollte, fühlte sie sich wie gelähmt. Wie festgenagelt saß sie auf der Lenkerbank. Der Reiter hielt hinter ihr am offenen Einstieg. Er blickte auf ihren Rücken.
    Mit ihrem festgefrorenen Lächeln drehte sie sich zu ihm um. Es gelang ihr, den Schrei, der sich aus ihrer Kehle drängen wollte, zu unterdrücken.
    Eine Fratze mit weißen Haaren starrte sie an. Ein bohrendes Auge unter der schwarzen Binde, der Mund schief und zahnlos. Das Übrige Narben, wucherndes Fleisch, einzelne Bartbüschel. Darunter ein schmutziges Halstuch, ein Bauernkittel, am Gürtel eine Axt und ein kurzes Schwert. Sie schwiegen und sahen sich an.
    »Bist du es, Baddo?«, hauchte sie endlich, als sie es nicht mehr aushielt.
    »Ja«, kam es aus dem schiefen Mund. »Ich bin Baddo. Ich bin es.«
    Nun erkannte sie ihn wirklich. Seine Stimme war ihr in Erinnerung geblieben. Sie war noch immer ruhig und tief, wenn auch weniger kraftvoll und ein bisschen verzerrt wegen der fehlenden Zähne.
    »Ich wusste schon, dass du hier bist!«, sagte sie rasch, einer Eingebung folgend. »Ein weiser Mann, ein

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