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Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis

Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis

Titel: Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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wollte ich fliehen und mich dir in die Arme werfen! Oh, was habe ich damals ausgestanden … Später musste ich ihm zu den Westgoten folgen, und er verkuppelte mich zu seinem Vorteil an Alarich. Aber ich dachte auch dort nur an dich und wie ich dich rächen konnte. Ich gewann Einfluss auf den König und erwirkte Syagrius’ Auslieferung. Ja, ich war es, die ihn euch zur Hinrichtung schickte! Später floh ich vom Hof der Westgoten. Ich hatte nur den einen Gedanken: mich nach der Francia durchzuschlagen – zu dir! Es gelang, aber man erkannte mich hier und hielt mich für eine Spionin der Westgoten und der Burgunder. Auf dem Gut dort hinten, in Pinetum, wurde ich gefangen gesetzt. Ich versuchte, mich heimlich mit dir in Verbindung zu setzen. Doch dann zogst du mit Chlodwig nach Burgund und kamst nicht zurück. Es hieß, du seiest im Kampf gefallen. So blieb mir nichts weiter, als um dich zu weinen und für dein Seelenheil zu beten. Oh, dass ich dich noch einmal wiedersehe! Dass wir nach zwanzig Jahren endlich vereint sind! Nun kann alles ein gutes Ende nehmen! Jetzt gibt es für uns noch eine Zukunft!«
    Baddo hatte reglos zugehört. Der Blick seines einzigen Auges war unverwandt auf Scyllas Gesicht geheftet. Es schien, als fessele ihn das lebhafte Mienenspiel der noch immer so reizvollen Frau mehr als ihre Geschichte, als rühre ihn der Klang ihrer Worte mehr als die Worte selbst. Als sie jetzt schwieg, verzog er sogar den schiefen Mund zur Andeutung eines Lächelns.
    »Und wie stellst du dir diese Zukunft vor?«, fragte er langsam, mit schwerer Betonung. »Die Zukunft mit einem Verräter seines Gefolgsherrn, mit einem entflohenen Sklaven?«
    Scylla atmete tief.
    Sie glaubte, gewonnen zu haben. Noch immer saß sie, halb von ihm abgewandt, auf dem Lenkersitz. Jetzt drehte sie sich ganz zu ihm um und rief:
    »Wir fliehen! Ich habe ja schon alles bedacht! Wir können heute noch in Amiens sein und morgen in Rouen. Wir werden dort ganz sicher ein Schiff finden, ich habe ja Geld. Wir verlassen das Land! Wir gehen irgendwohin, wo uns niemand kennt, wo wir unbeschwert glücklich sein können! Nach Afrika, nach Kreta, nach Zypern – wohin du willst! Wir …«
    Plötzlich packte er sie wieder und diesmal an beiden Armen und mit so eisernem Griff, dass sie aufschrie.
    »Du hast etwas vergessen in deiner Lügengeschichte!«
    »Warum glaubst du mir nicht?«, keuchte sie. »Warum folterst du mich? Das verdiene ich nicht!«
    »Du warst auch Chlodwigs Hure.«
    »Ich war seine Nebenfrau. Gezwungen!«
    »Ich vergnüge mich gern mit seinen Weibern.«
    »Wir haben keine Zeit! Wir müssen heute noch in Amiens sein!«
    »Warum solche Eile?«
    »Ursios Leute sind hinter mir her.«
    »Die habe ich alle drei umgelegt.«
    »Die anderen werden es bemerken und dann …«
    »Ehe die kommen, sind wir schon miteinander fertig.«
    »Aber ich liebe dich … ich gehöre nur dir … ich bin deine Frau. Doch lass uns jetzt fliehen!«
    »Ich bleibe hier.« Er lachte abschätzig. »Ich tauge nicht mehr zum feinen Liebhaber einer schönen Dame, die es mit Königen trieb. Ich bin nur noch ein Gespenst. Hier in den Wäldern werde ich spuken. Ab und zu werde ich Chlodwig ein bisschen erschrecken, damit er sich nicht zu sicher fühlt. Ich werde ihn an seine Schuld erinnern, die Verbrechen an seiner Sippe. Zweiunddreißig Merowinger habe ich für ihn umgebracht! Er selber mag leben, aber niemals soll er ganz ruhig sein. Die Burgunder versprachen, mich hinzurichten. Er glaubt, ich sei tot. Nun soll er erfahren, dass ich zurück bin, dass ich in seiner Nähe bin. Deshalb muss er ein Lebenszeichen von mir erhalten. Wenn man deinen Leichnam hier findet, wird er Bescheid wissen!«
    Er hielt die Griechin noch immer an den Armen gepackt, und nun zerrte er sie vom Lenkersitz weg.
    Sie schrie, sie wand sich. Sie versuchte, zu beißen und zu treten. Die Pferde hielten die Schreie für einen Befehl und zogen an. Die Carruca rumpelte über den Waldweg.
    Baddo kümmerte sich nicht darum und warf Scylla über die Geldtruhe, die neben dem offenen Einstieg zwischen den Sitzbänken festgeklemmt war. Er bog ihre Arme weit zurück, ließ aber plötzlich los und versetzte ihr Faustschläge. Er riss ihr das Stirnband, das Tuch und die Perücke herunter und erschrak einen Augenblick, weil sie glatzköpfig war. Ein Blutrinnsal lief ihr von der Schläfe. Ihr Kopf auf der Truhe schwang hin und her, ihre Arme schlenkerten beim Holpern des Wagens.
    Jetzt kam kein Laut mehr aus

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