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Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis

Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis

Titel: Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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Chaldäer, den ich in Paris nach dir fragte, las es aus den Sternen. Der sagte: ›Er ist zurück, er sucht dich!‹ Da kam ich schnell her, damit wir uns diesmal nicht verfehlten.«
    »Und warum bist du vor mir geflohen?«
    »Ich erkannte dich ja nicht gleich. Ich dachte, du gehörtest zu denen, die mich Chlodwig wieder ausliefern wollten. Erst als du mir nur noch allein folgtest, wusste ich, du bist es.«
    »Du hast Mut.«
    »Den habe ich!«, sagte sie und versuchte, ihrer eigenen bebenden Stimme Festigkeit zu geben. »Chundo bestätigte mir, dass du zurück seist. Und er sagte mir, dass du mich suchtest und dich mir zu erkennen geben würdest, sobald ich das Gut verließe. Da nahm ich alles, was ich besaß, um zu fliehen und dich zu treffen. Der habgierige Priester wollte mich aufhalten. Durch Zufall kam mir aber der schreckliche Ursio, mein Verfolger, zu Hilfe. Es gab ein Gemetzel, die beiden sind tot. Das war mein Glück. Das war unser Glück. Sonst hätten wir uns hier nicht treffen können!«
    Sie hatte das alles hastig hervorgestoßen. Jetzt verstummte sie und starrte ihn an, um die Wirkung zu prüfen. Dabei lächelte sie wieder.
    »Ich habe Ursio kommen sehen«, sagte Baddo, dessen zerstörtes Gesicht keine Regung zeigte. »Der Schuft, dem ich fünf Jahre Steinbruch verdanke, ist also tot. Das wird Chlodwig nicht gefallen. Alle verlassen ihn. Es wird einsam um ihn.«
    Plötzlich schwang er sich vom Pferd in die Carruca. Scylla fuhr heftig zurück. Er setzte sich rittlings hinter ihr auf die Truhe.
    »Warum erschrickst du denn so? Willst du mich nicht zur Begrüßung umarmen?«
    »Verzeih, ich … Es ist nur die erste Scheu. Du hast dich verändert. Wir haben uns lange nicht gesehen.«
    »Zwanzig Jahre!«
    »Zwanzig Jahre.« Sie kämpfte gegen Angst und Ekel.
    »Ich habe mich tatsächlich ein bisschen verändert«, fuhr er fort. »Das Ohr mit der Sklavenkerbe ist ab. Sieh her!«
    Er streckte den Kopf heftig vor und streifte die weißen Zotteln zurück. Ein von Hautfetzen halb überwachsenes Loch war anstelle des linken Ohrs.
    »Wie furchtbar!«, sagte sie mit Überwindung. »Wie musst du gelitten haben. Wie habe ich mit dir gelitten!«
    »Das glaube ich. Fürchterlich musst du gelitten haben. Ich hätte deine Leiden gern abgekürzt. Doch es gelang mir leider nicht. So warst du gezwungen, zwanzig Jahre in den schmutzigen Betten von Statthaltern, Grafen und Königen zu verbringen. Aber nun bin ich da, und nun hat das Elend ein Ende. Ich komme spät zu dir, Scylla. Aber ich habe dich niemals vergessen.«
    »Auch ich habe dich niemals vergessen, Baddo!«, rief sie, indem sie mit verzweifelter Unverfrorenheit seine Worte zu ihren Gunsten deutete. »Wie könnte ich denn die schönsten Augenblicke meines Lebens vergessen! Nie wieder wurde ich so geliebt, und nie wieder liebte ich so! Oh, glaube mir, könnte ich dieses kurze Glück noch einmal erleben – ich würde noch einmal zwanzig Jahre der Qual auf mich nehmen. Ich würde sogar dafür sterben wollen!«
    In seinem Auge flammte es auf. Zum ersten Mal regte sich etwas in seinem Gesicht. Er beugte sich vor und packte ihren Arm.
    »Wenn es das ist, was du dir vor dem Sterben wünschst – du bekommst es! Du lügst zwar, wie du immer gelogen hast. Aber das stört mich nicht, ich höre es gern.«
    »Ich lüge nicht!«, rief sie. »Du glaubst, ich sei schuldig an deinem Unglück. Das ist nicht wahr! Du bist im Irrtum! Du kannst nicht wissen, was damals wirklich geschah. Ich werde es dir sagen. Hör zu! Syagrius hatte von unserer Liebe durch Spitzel erfahren. Als Ogulnius, mein Gemahl, tot war, ließ er auch mich verhaften. Ich bekannte mich schuldig, um dich zu retten. Aber er stellte mich vor die Wahl: Entweder sollten wir beide sterben, oder du solltest leben … für einen Preis, den ich bezahlen musste, du kennst ihn. Ich entschied mich für dein Leben und hoffte natürlich, du würdest nach dem Prozess, in dem ich gegen dich aussagen musste, in Freiheit gesetzt. Doch er betrog mich, er ließ dich brandmarken und verschleppen. So suchte und fand ich die beiden mutigen Männer, die dich befreiten. Das war alles, was ich noch für dich tun konnte. Verzeih mir! Nun waren wir also getrennt, unser Glück war zerstört. Was folgte, war in der Tat eine endlose Kette von Leiden. Syagrius hielt mich wie eine Gefangene und zog mich hinein in seinen Untergang. In Paris ließ er mich in Ketten legen, als du draußen warst und unsere Auslieferung verlangtest. Denn natürlich

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