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Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis

Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis

Titel: Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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erschrickt noch immer. Er ist jetzt zweiundvierzig Jahre alt, aber er hat wohl jedes Jahr doppelt gelebt – und so sieht er aus.
    Trotz allen Jubels kann nicht übersehen werden, dass das Ziel des Krieges nur zum Teil, wenn auch zum größeren, erreicht wurde. Die Westgoten völlig aus Gallien zu vertreiben, ist nicht gelungen. Anfangs schien es tatsächlich, als würden ihnen auch der ganze Süden und die Mittelmeerküste verlorengehen. Chlodwigs Sohn Theuderich und die Burgunderkönige eroberten als Verbündete eine Stadt nach der anderen, auch …
    Doch ehe ich fortfahre, lieber Bruder, muss ich dir endlich von einer Person erzählen, der wir beide, wenn wir mal aufrichtig sein wollen, Dank schulden. Wir würden ja jetzt, unserer unseligen Rennleidenschaft wegen, längst bankrott oder entehrt oder sogar tot sein (unsere Gläubiger waren nicht gerade zimperlich). Nur die Truhe mit ihrem wundertätigen Inhalt hat uns vor dem Ärgsten bewahrt und einen neuen Anfang möglich gemacht.
    Als ich die Frau, die ich meine – diese Scylla –, vor zwei Jahren in Rouen an Bord nahm, wollte ich ihr eigentlich gleich den Garaus machen. Zu wütend war ich, weil sie nur gerade ein knappes Drittel der Geldmenge mitgebracht hatte, von der vorher die Rede gewesen war. An der lusitanischen Küste ließ ich sie – habe ich dir das mal erzählt? – bei einem Sturm sogar über Bord werfen. Aber das zähe Weib rettete sich schwimmend, und als wir gleich darauf in Seenot gerieten und in einer nahen Bucht vor Anker gehen mussten, war sie plötzlich wieder da. Natürlich hatte sie mich in Verdacht, und als wir dann Narbonne anliefen, wollte sie nicht ohne die Truhe von Bord gehen. Ich musste sie festnehmen lassen und ihr drohen, sie als Spionin der Franken den Goten auszuliefern, bei denen sie ja schon wegen des Mordanschlags auf die Königin Thiudigotho die Todesstrafe erwartete. Da gab sie sich geschlagen und ließ sich ohne ihre Schatzkiste an Land bringen. Zum Abschied sagte sie mir, dass sie einen Schurken wie mich, so schön und so abgrundtief gemein, noch nicht kennengelernt und offenbar in mir ihren Meister gefunden habe. Ein Lob aus berufenem Munde. Sehr schmeichelhaft!
    Ich hatte nun unsere Landsmännin nicht ganz ohne Mittel gelassen und ihr für ihre wirklich ganz vorzüglichen Liebesdienste ein paar hundert Goldsolidi mitgegeben. Damit war sie anscheinend erfolgreich. In Narbonne, wo sich frühere Gegner Alarichs und versprengte Reste des Gotenheers sammelten, brachte sie im Dezember eine Versammlung zur Königswahl zustande – und ihren sechzehnjährigen Sprössling von Alarich namens Gesalich auf den Gotenthron. Und sofort ging ein Schreiben mit Friedensvorschlägen an Chlodwig, natürlich von ihr diktiert oder inspiriert. (Das weiß ich von meinem Freund Jullus Sabaudus, einem Vertrauten des Königs. Er leitet, wie früher schon einmal, die fränkische Kanzlei, die jetzt nach dem Gebietszuwachs stark vergrößert wurde.) Chlodwig, der gerade in Bordeaux war und dort überwinterte, lehnte aber alles ab, weil er nun mal die Goten aus Gallien heraushaben wollte und seine einstige Geliebte gleich mit zum Teufel wünschte. So bestärkte er sogar die Burgunder, seine Verbündeten, Narbonne zu belagern. Da ging dann dem Gesalich und seiner Möchtegern-Regentin von Mutter bald alles in Scherben. Die Stadt wurde von König Gundobad genommen, und sie mussten Hals über Kopf verschwinden. Sie flohen über die Pyrenäen und setzten sich in Barcelona fest. Von da ging ein neues Friedensangebot an Chlodwig. ›König‹ Gesalich erklärte sich nun einverstanden, sein Gotenreich auf Spanien zu beschränken, so wie wir es immer haben wollten. Offensichtlich war seine Mutter jetzt doch bereit, sich mit den wilden Bergvölkern anzufreunden (vielleicht nach der Bekanntschaft mit einem strammen Häuptling). Chlodwig ließ nun auch zustimmend antworten und versprach ihnen Frieden.
    Aber sie alle hatten die Rechnung ohne Theoderich gemacht. Obwohl unsere byzantinische Flotte noch immer Italien bedrohte, schickte er diesen Sommer eine Armee unter dem erfahrenen Feldherrn Ibba nach Gallien. Der griff Theuderich und die burgundischen Könige Gundobad und Sigismund an und warf sie glatt über den Haufen. Er brachte Carcassonne Entsatz und eroberte Narbonne zurück. Und damit ist der Süden Galliens wieder gotisch. Gesalich hat aber davon nichts, denn Theoderich tat das nicht für ihn (den er für einen Thronräuber hält), sondern für seinen

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