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Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis

Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis

Titel: Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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gekommen? Nur Gras und Wasser sollten sie nehmen? Was für ein Hohn! Sie waren Chlodwig, der nicht ihr König und Gefolgsherr war, nur so viel Achtung schuldig, wie er als oberster Feldherr verdiente. Wie viel Achtung aber verdiente ein Feldherr, der seine Truppen darben ließ?
    Erst wurde gemurmelt, dann geknurrt, schließlich laut protestiert und sogar gelacht. Chlodwig, der bei Reden an seine eigene Gefolgschaft kaum noch Widerspruch gewohnt war, geriet aus der Fassung. Er redete weiter, aber er merkte, dass er sich wiederholte und damit die Männer immer mehr aufbrachte.
    Zorn stieg in ihm auf, auch gegen sich selbst. Warum musste er dieses verfluchten Heiligen wegen einen so blödsinnigen Befehl erlassen? Jetzt hatte er eine Meuterei zu gewärtigen. Wie sollte er die Rheinfranken aufhalten, wenn sie sich absetzten und plündernd weiterzogen?
    Die Proteste und das Gelächter wurden so laut, dass er sich mit seiner rauhen, heiseren Stimme nicht mehr durchsetzen konnte. Er schwieg und ließ seinen Wolfsblick umherschweifen. Die Männer blieben unbeeindruckt, auch als der Sohn ihres Königs drohend auf sie einschrie. Dass Sigibert sie nach ihrer Rückkehr bestrafen würde, weil sie sich einem sinnlosen Befehl widersetzt hatten, hielten sie für unwahrscheinlich.
    In diesem für Chlodwig kritischen Augenblick näherten sich am Ufer des Flusses drei Männer. Zwei sahen sich ähnlich, es waren lange Kerle mit roten Haaren und roten Bärten. Der Dritte war der Hundertschaftsführer, der sie endlich gefunden hatte und nun herbrachte. Als sie die Halle erreichten, ließ er haltmachen.
    Chlodwig bemerkte die Gruppe und erinnerte sich. Er winkte den Hundertschaftsführer heran und befahl ihm, den Bauern herbeizuholen, der in der Halle geblieben war und wartete. Das Männchen kam schüchtern heraus und wurde zu den beiden langen Rotbärten geführt. Der Hundertschaftsführer bellte es an. Es begriff und deutete zaghaft, aber bestimmt auf einen der beiden. Es war der aus Cambrai.
    Die Rheinfranken hatten sich mittlerweile etwas beruhigt und begannen, sich für den Vorgang zu interessieren. Das verhutzelte Bäuerlein und die beiden einander ähnlichen langen Rotbärte erregten Heiterkeit. Als Chlodwig jetzt aber dem Hundertschaftsführer winkte, damit er ihm den Beschuldigten zuführte, wurde es stiller.
    »Du also warst das!«, sagte der König. »Du hast uns den heiligen Martin wütend gemacht. Der wendet sich jetzt da oben im Himmel von uns ab, statt uns zu helfen! Deshalb haben wir dieses Sauwetter! Deshalb sind uns dreißig Männer ersoffen und zwei Katapulte verlorengegangen! Das alles verdanken wir dir, du Schuft! Wie war der Befehl? Nur Wasser und Futtergras!«
    »Warum schimpfst du auf mich, König?«, schrie der Rotbart aus Cambrai. »Ich hab nichts getan! Ich habe den Heiligen nicht beleidigt! Ein bisschen Heu habe ich genommen – das stimmt. Aber ist Heu denn etwa kein Gras? Heu oder Gras … was kann das dem Heiligen denn ausmachen? Ich hab nur getan, was du erlaubt hast, hab nach Befehl gehandelt, hab mich nur …«
    Während er sich schreiend und gestikulierend verteidigte, hatte der Rotbart nicht bemerkt, wie Chlodwig langsam nach seinem Gürtel griff und den Sax herauszog. Jetzt stach der König zweimal zu, erst in den Hals, dann in die Brust des Mannes. Er ließ den Sax stecken, trat zur Seite und wandte sich ab.
    Der Rotbart fiel dem verblüfften Hundertschaftsführer in die Arme, der ihn aber, weil er ihn über und über mit Blut bespie, wegstieß. So machte er noch ein paar torkelnde Schritte und stürzte vornüber der Länge nach hin, in den Schlamm.
    Die hundert Rheinfranken waren verstummt.
    »Das war einer, der den Befehl nicht verstanden hatte«, sagte Chlodwig. »Gibt es hier noch einen?«
    Er wartete nur einen Augenblick. Dann drehte er sich um, machte um den Leichnam einen Bogen und verschwand in der Halle.
    Die Rheinfranken rückten kurz darauf ab.
    Während ihres Aufenthalts im Gebiet von Tours gab es keine Klagen über sie.

Kapitel 18
    Anderthalb Jahre vergingen. Erst im Herbst des Jahres 508 endete der große Krieg zwischen Franken und Westgoten. Wie in allen Kriegen werden sich die Ereignisse mit ermüdender Monotonie wiederholt haben: Vormärsche, Rückzüge, Siege, Niederlagen, Belagerungen, Blockaden, Heldentaten, Verrätereien und so weiter.
    Was wirklich geschah, ist schwer  rekonstruierbar, denn Geschichtsschreibung ist Sache des Siegers, der mit dem Sieg auch das Recht erwirbt,

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