Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
DIE MEROWINGER: Familiengruft

DIE MEROWINGER: Familiengruft

Titel: DIE MEROWINGER: Familiengruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
Vom Netzwerk:
Vierundzwanzigjährige redete, desto mehr Kontur gewann er.
    Audo wagte zunächst kaum zu hoffen, dass es noch einen Ausweg aus ihrer Lage geben könnte. Doch hatte sie keine andere Wahl, als auf all das zu vertrauen, was jetzt noch helfen konnte: Glück und Heil, das Wohlwollen der Götter, einen milde gestimmten königlichen Bruder, einen tapferen Geliebten.
    Der heiße Wunsch, das Schicksal doch noch zu wenden, besiegte schließlich ihre Verzagtheit. Nun konnte ihr alles nicht schnell genug gehen. Auch sie legte Männerkleider an, stopfte ihr langes, blondes Haar unter eine Kappe, hängte zum Zeichen ihrer Kampfbereitschaft sogar ein Schwert an den Gürtel und stieg zu Pferde. Und da sie eine vortreffliche Reiterin war, legte sie immer wieder einen Galopp vor, so dass die Schwester und ihre Begleitung kaum folgen konnten. Noch ehe die letzte Stunde des Tages anbrach (das hieß damals: die letzte Stunde bei Tageslicht), war das Gut der Sabauder erreicht. Den Schein zu wahren, hielt Audo hier nicht mehr für nötig. Vor den Augen seiner Verwandten und der Leute vom Gut stürzte sie dem verblüfften Jullus in die Arme.
    »Die einzige Hoffnung für euch besteht darin«, sagte Lanthild, als sie später zu dritt unter sich waren, »Chlodwigs Einverständnis zu bekommen, bevor er erfährt, dass die Ostgoten hier sind. Wenn er eurer Verlobung erst einmal zugestimmt hat, kann er nicht mehr zurück. Und selbst wenn er es wollte, würden die Goten nicht wagen, ihrem König eine Braut zu bringen, die vorher einem fränkischen Grafen verlobt war.«
    »Aber wie soll ich ihn der Sache geneigt machen«, sagte der junge Mann seufzend. »Ja, wäre ich schon eine Weile im Amt und könnte Verdienste aufweisen. Doch so … kaum ernannt und gleich der Griff nach dem Höchsten … der Heirat mit seiner Schwester …«
    »Du musst es wagen«, sagte Audo und schmiegte sich an ihn. »Und sage ihm, ich sei einverstanden!«
    »Das gerade nicht!«, widersprach ihr Lanthild. »Das wäre das Dümmste, was er tun könnte! Chlodwig muss glauben, ihr hättet kaum jemals ein Wort gewechselt und Jullus verehre dich nur aus der Ferne. Du hast die Ernennungskunde doch fertig …«
    »Ja, sie ist wunderbar geworden!«, lobte sich Jullus. »Die Sprache, die Form …«
    »Er will, dass du schnellstens deinen Posten beziehst. Sieh zu, dass du ihn findest, wo auch immer – Hauptsache, irgendwo, wo ihn die Nachricht von der Ankunft der Goten noch nicht erreicht hat. Lege ihm das Pergament vor. Sobald er sein Siegel darauf gedrückt hat, verbeugst du dich tief und sprichst ungefähr so zu ihm: ›Der feierliche Augenblick, König, ermutigt mich, dir als nunmehriger Comes der größten Stadt deines Reiches noch ein persönliches Anliegen vorzutragen. Um meine Pflichten zu deiner Zufriedenheit zu erfüllen, benötige ich den Beistand einer guten, treuen Ehefrau, die ich lieben und verehren kann. Verzeih mir die Kühnheit, aber ich kann mir nur eine vorstellen, die dir im Wesen ähnlich ist und an dieser wichtigen Stelle, im Mittelpunkt deines Reiches, deinen Glanz und deine Größe verkörpern kann. Die mich immer daran erinnert, dass ich das, was ich bin, nur dir verdanke. Ich meine die würdige Audofleda, die ich schon lange verehre, obwohl ich mich ihr nie zu nähern wagte …‹ So etwa musst du zu ihm sprechen. Kurz gesagt, musst du so tun, als ob du nicht Audo, sondern ihn heiraten wolltest. Keine Anspielung darauf, dass du schon näher mit ihr bekannt bist!«
    »Und wenn er mir das nicht glaubt?«, wandte Jullus ein. »Oder wenn er wegen der Anmaßung wütend wird? Alles könnte dadurch verdorben werden! Er könnte noch immer die Ernennung rückgängig machen …«
    »Aber was bleibt uns denn übrig?«, rief Audo, der wieder die Tränen über die Wangen liefen. »Wenn wir es nicht riskieren, ist alles aus! Dann verschleppen sie mich in dieses schreckliche Gotenland! Ist es dir denn nicht gleichgültig, ob du noch Comes wirst oder nicht, wenn wir nicht mehr zusammen sein werden? Wenn du mich niemals mehr wiedersehen sollst?«
    »Ja, du hast recht!«, sagte Jullus, indem er sie an sich zog. »Was bedeutet mir schon das Amt, wenn du nicht an meiner Seite bist … du Herrliche, Unvergleichliche! Nichts bedeutet es mir! Überhaupt nichts! Ich wollte es ja auch nur haben, um mich zu dir hinaufzuschwingen, ein Stück wenigstens. Beruhige dich! Ich werde tun, was ihr klugen Weiber mir ratet. Und wenn der König mich abweist … gut, dann werde ich auch auf das

Weitere Kostenlose Bücher