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DIE MEROWINGER: Letzte Säule des Imperiums

DIE MEROWINGER: Letzte Säule des Imperiums

Titel: DIE MEROWINGER: Letzte Säule des Imperiums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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unseren Küsten, auf der Flucht vor anderen Barbaren, den Sachsen und Angeln. Über die Meerenge kommen sie zu uns herüber, siedeln sich, ohne zu fragen, an, besetzen einen Platz nach dem anderen. Die Aremorica haben sie schon zum Teil in der Hand, und wenn wir nicht aufpassen, droht uns von dort die nächste Gefahr. Erste Anzeichen gibt es. Ich könnte euch Beispiele nennen, von denen ich auf meiner Reise erfuhr. Haltet sie auf, bevor es zu spät ist! Hütet euch vor den unbekannten Barbaren, stützt euch lieber auf die bekannten! Gebt Chlodwig und seinen Leuten etwas zu tun, und ihr werdet erfahren, dass ihnen die alte Frankentugend, Freundschaft zu uns Römern zu halten, noch nicht abhandengekommen ist!«
    Der Vorschlag zündete. Unversehens war aus einer langweiligen Lagebesprechung ein Kriegsrat geworden. Ein frischer Geist belebte die älteren Herren.
    Leunardus und Structus stimmten ohne Bedenken zu. Die häufigen Hiobsbotschaften aus den nördlichen Grenzgebieten hatten sie längst befürchten lassen, dass man irgendwann Taten von ihnen verlangte. Was für Würdenträger, die sich im Amt halten wollen, ja immer riskant ist. Nun bot sich ein eleganter Ausweg.
    Der geschichtskundige Leunardus lobte den Bischof für seinen Vorschlag, weil er damit die besten Erfahrungen römischer Germanenpolitik aufnahm. War man nicht schon vor fast fünfhundert Jahren, nach der katastrophalen Niederlage gegen Arminius, zu der Einsicht gelangt, es sei das Beste, die Germanen sich selbst zu überlassen, damit sie sich an ihren inneren Zwistigkeiten aufrieben? Wenn die Barbaren sich ringsum bekämpften, würde man in ihrer Mitte umso sicherer sein.
    Auch Structus betonte diesen Gesichtspunkt. Er wies darauf hin, in einem solchen Krieg werde der Blutzoll sowohl der Eindringlinge aus Britannien als auch ihrer fränkischen Widersacher so erheblich sein, dass es auf beiden Seiten zu einer lang anhaltenden militärischen Schwächung käme. Man werde dann so gut wie kampflos in die Gebiete einmarschieren, die derzeit noch widerrechtlich besetzt seien, und der Patricius werde als Imperator triumphieren.
    Dieser Gedanke tat Syagrius wohl und verscheuchte seine Missstimmung endgültig.
    Der Vorschlag des Bischofs, erklärte er, entspreche haargenau seinen strategischen Absichten. Schon lange habe er selbst diese Idee gehabt. Als legitimer Platzhalter der weströmischen Kaiser sei er ja deren Interessen verpflichtet.
    »Der Tag wird kommen«, verkündete er, »an dem wieder ein römischer Kaiser ganz Gallien regieren wird! Irgendwann müssen wir damit anfangen, ein Gebiet nach dem anderen zurückzuerobern. Je früher wir das tun, desto besser. Ich meine, dies wäre ein erster Schritt. Als Stratege denke ich großräumig und langfristig. Kleine Niederlagen erschüttern mich nicht!«
    Er warf Scylla, die ihm mit gespielter Bewunderung zuhörte, einen herausfordernden Blick zu.
    »Ich habe immer das große Ziel im Auge. Und am Ende wird, wie du schon richtig bemerktest, Structus, der Triumph stehen. Mein Wahlspruch ist: Warte – erkenne – triumphiere!«
    »Damit belebst du die Tradition Caesars«, schmeichelte Leunardus. »Der kam, sah, siegte!«
    »In den Rhein mit den Barbaren!«, trompetete Frau Titia, die etwas schwerhörig war und nicht alles verstanden hatte.
    »Sie werden sich gegenseitig ins Nordmeer treiben«, sagte Syagrius. »Aber du solltest dich jetzt ausruhen, meine Teure.«
    Nachdem Frau Titia sich zurückgezogen hatte, wurden sogleich die notwendigen Maßnahmen beschlossen.
    Ein Militärtribun sollte bereits in den nächsten Tagen nach Tournai, Cambrai und den anderen kleinen fränkischen Residenzen aufbrechen und den Königen den Marschbefehl überbringen. Zur Erinnerung würde er ihnen Kopien der alten Föderatenverträge vorlegen, die Leunardus in seiner Kanzlei herstellen wollte. Derselbe Tribun sollte dann mit einer begleitenden Kohorte an einem mit den Königen zu vereinbarenden Treffpunkt die fränkischen Heerhaufen erwarten. Von dort aus würde der Abmarsch in die bretonischen Gebiete beginnen.
    Leunardus und Structus, die vor Tatendurst sprühten, meldeten sich ab und gingen.
    Auch Remigius war schon an der Tür zum Vestibül. Er nickte Syagrius und seiner Geliebten, die die lange Beratung mit stummer Geduld verfolgt hatte, zum Abschied zu – doch da fiel ihm noch etwas ein. Er kehrte zu ihnen zurück.

Kapitel 11
    »Ich möchte dir noch etwas mitteilen, Patricius«, sagte der Bischof, »was die Herren, die uns

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