DIE MEROWINGER: Schwerter der Barbaren
die Dame mit ihrer Tochter zu ihm. Er fragte sie, ob sie tatsächlich eine Kaiserin sei, wie es ihm seine Leute gemeldet hätten. Da dachte sie, das ist die Rettung, und sagte, jaja, sie sei eine Kaiserin. Die Witwe von Julius Nepos, dem vorletzten Kaiser in Rom. Doch auf einmal …«
»Auf einmal packte ihn die Lust, es mal einer Kaiserin zu besorgen«, sagte Chlodwig und lachte verächtlich auf. »Und jetzt hält er sich und seine Bande für Römerbezwinger. Draußen sitzt er am Feuer und rühmt sich. Dabei weiß er noch nicht, was dieser Tag ihm wirklich gebracht hat.«
»Was meinst du damit?«
Chlodwig kniff die Augen zusammen, bekam den Wolfsblick und sagte: »Der teuerste Tag seines Lebens war das.«
Kapitel 6
Bis in den Morgen feierten die Franken den Sieg. Gegen Abend machten sie weiter, und so ging es Nacht für Nacht.
Das große Fressen und Saufen auf dem Palasthof wollte kein Ende nehmen. Bald türmten sich Berge abgenagter Knochen. Bei jedem Schritt stieß der Fuß an Trümmer von Fässern, an Scherben zerbrochener Krüge und Becher.
Doch immer wieder trieben die Knechte Tiere heran, die auf der Stelle geschlachtet und auf Spieße gesteckt wurden. Immer neue Weinfässer wurden herbeigerollt. Wer sich überfraß, wankte beiseite, entleerte sich und schaffte Platz. Wer seinen Rausch ausschlafen musste, tat dies irgendwo unter den Arkaden ringsum oder in einem der Nebenhöfe und weitläufigen Palastgärten. Danach fand er sich wieder ein, um weiterzufeiern. Das Septemberwetter war freundlich, auch die Nächte waren noch mild.
Allmählich kroch alles aus den Ritzen, was sich erst einmal vor den einrückenden Barbaren versteckt hatte.
Schauspieler, Gaukler und Musikanten, die der geflohene Patricius beschäftigt und natürlich zurückgelassen hatte, machten den Anfang und unterhielten die neuen Herren mit ihren Künsten. In Ragnachar fanden sie einen honorigen Gönner. Der dicke König von Cambrai hatte Kunstverstand und wurde nicht müde, Flötenspielern, Sängern und Seiltänzern zu applaudieren. Sein Vertrauter, der ältliche Lockenkopf, wich dabei nicht von seiner Seite und gab den Zeremonienmeister. Die Haarpracht durch einen Goldreif gebändigt, trippelte er im kurzen Griechengewand umher und sorgte dafür, dass die Vorstellung weiterging. Einmal allerdings verschwand er und verursachte damit beträchtliche Aufregung.
Es geschah gleich in der ersten Nacht. Ragnachar hockte im Palasthof an einem der Feuer und war über dem monotonen Gesang seiner Leute ein bisschen eingenickt, als er plötzlich erwachte und seinen Farro vermisste. Er erschrak und hatte auch gleich einen Verdacht. Zwei Männern, denen er vertraute, erteilte er aufgeregt stotternd einen Erkundungsauftrag. Erst nach geraumer Zeit, weit nach Mitternacht, kehrten sie zurück und berichteten, was er befürchtet hatte. In einem der Gärten hatten sie Farro aufgespürt, in einem kleinen römischen Rundtempel. Dort vergnügte er sich mit einem Komödianten.
Der dicke König raste vor Eifersucht. Er beschloss, den Frevel zu ahnden. Seine Spione hatten sich den Ausspionierten auftragsgemäß nicht bemerkbar gemacht. Er setzte sich an die Spitze eines Trupps, der sich in der Dunkelheit anschlich und den Tempel umstellte. Die beiden Frevler wurden überrascht und herausgetrieben. Sie waren unbewaffnet und völlig nackt.
Ragnachar ließ Fackelträger kommen, hielt über die beiden Gericht und verurteilte sie zu je fünfzig Hieben. Dazu schnitt er eine Gerte vom nächsten Strauch und zählte den beiden die fünfzig gleich selbst auf die Hinterbacken.
Anfangs schlug er erbarmungslos zu. Doch dann wurden die Hiebe schwächer. Schließlich waren sie nur noch ein sanftes Streicheln. Sein Zorn verflüchtigte sich mit jedem Schlag und wich nach und nach einer angenehmen Erregung. Alle drei – der Vollstrecker und die Gezüchtigten – wetteiferten in lustvollem Stöhnen.
Am Ende kniete der Merowinger nieder, küsste den geschundenen Körperteil und wischte mit seinem langen Haar das Blut ab. Dann schickte er alle Zuschauer fort und zog sich mit seinem Farro und dem Mimen, der Apollodoros hieß, für den Rest der Nacht in den Tempel zurück. Er nannte den neuen Freund seinen »A-A-Apollo«.
Als man Chlodwig von dem nächtlichen Sturm auf das römische Gartenhäuschen berichtete, lachte er grimmig auf und sagte: »Was mein Vetter erobert hat, mag er behalten. Man soll den Tempel niederreißen und die Steine nach Cambrai bringen.«
Er bestand
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