Die Merowinger - Zorn der Götter
hieß es, dass er noch lebte. Aber es ging ihm sehr schlecht. Er wird ja auch kaum noch genährt. Deine Frau liegt fast nur noch in ihrer Kirche vor dem Altar und betet.«
Lanthild, die wie gewöhnlich Männerkleider trug, tat so, als sei ihr das Gespräch mit dem Bruder gar nicht so wichtig, sondern als interessiere sie sich viel mehr für die Pferde. Gerade wurde einer der Knechte abgeworfen. Da sprang sie hinzu und ergriff den Zügel. Im nächsten Augenblick war sie aufgesessen und zwang das Tier zu der Volte, die es vorher verweigert hatte. Sie ritt ein paar Runden und saß wieder ab. Nachdem sie dem Knecht noch Hinweise gegeben hatte, wie das Pferd zu behandeln sei, kehrte sie zu Chlodwig zurück. Sie setzte sich ihm gegenüber auf die Bank.
»Ich habe Nachricht von Audo«, sagte sie. »Der Kaufmann Rusticus ist zurück aus Italien und brachte mir einen Brief von ihr. Sie hat eine Tochter. Ihr Name ist Amalasvintha. Ein schöner Name, findest du nicht auch?«
»Ist das alles?«, fragte Chlodwig mürrisch.
»Sie liebt ihren Ehemann, den König Theoderich.«
Chlodwig schwieg und blickte wieder zu den Reitern hin.
»Unser Schwager Theoderich ist schlau«, fuhr Lanthild nach einer Weile fort. »Er macht Politik mit Frauen. Audo schreibt, dass seine Tochter Thiudigotho den Alarich fest an der Leine hat. Es ist ihr sogar gelungen, eine gefährliche und verschlagene Konkubine zu verdrängen. Von der hat er sogar einen Sohn. Es soll eine Griechin sein, die sehr schön ist und die mal die Geliebte des Syagrius war. Du musst von ihr gehört haben. In Soissons reden ja noch viele von ihr.«
Der König merkte auf und wandte sich seiner Schwester zu.
»Alarich hat einen Sohn von dieser Frau?«
»Ja. Er soll Giserich oder Gesalich heißen und ist wohl drei, vier Jahre alt. Dieses Weib soll sogar versucht haben, Theoderichs Tochter zu ermorden, und sie musste dann aus Toulouse fliehen. Irgendwo im Burgunderreich soll sie untergetaucht sein.«
»Das erzähle mal nicht dem Baddo.«
»Warum nicht?«
»Der hat noch etwas mit ihr abzumachen. Am Ende nimmt er sich eigenmächtig eine Truppe und marschiert dort ein. Das fehlte mir gerade.«
»Ja, allerdings … das könnte für dich unangenehm werden. Theoderich hat noch eine andere Tochter, Ostrogotho. Audo schreibt, die soll dem Sigismund verlobt werden, König Gundobads Sohn. Dann haben die Burgunder auch eines Tages eine gotische Königin. Sei also vorsichtig. Lege dich nicht mit den Goten an.«
»Deine Ratschläge brauche ich nicht!«, wies Chlodwig sie unwirsch zurück. »Wie viele Töchter hat er denn noch, mein verdammter Schwager?«
»Töchter aus seiner ersten Ehe hat er wohl nicht mehr. Aber er hat noch eine Schwester und Nichten. Die will er auch noch auf wichtige Throne setzen, schreibt Audo. Alles ringsum wird bald gotisch und arianisch sein.«
»Das scheint dich zu freuen.«
»Es freut mich für Audo. Als Frau des mächtigsten Königs ist sie zufrieden und glücklich.«
»Wir werden noch sehen, wer der Mächtigste sein wird.«
»Du solltest dich nicht übernehmen, Bruder«, sagte Lanthild ernst. »Deine Herrschaft hat keine Zukunft, weil ihr die göttliche Gnade fehlt. Deine Frau verführt dich zum falschen Glauben, und deine Söhne sterben dir weg.«
»Schweig!«, rief er und schlug mit der Faust auf den Tisch.
»Nein, ich schweige nicht!«, fuhr sie unbeirrt fort. »Du kannst mich vertreiben und in ein hässliches Nest wie Rouen schicken. Aber einschüchtern kannst du mich nicht! Es muss jemanden geben, der dir die Wahrheit sagt. Wer soll das tun, wenn nicht ich, deine Schwester? Remigius und seine Leute führen dich auf einen Irrweg. Er ist ein gerissener Kerl, und man kann ihn sogar mögen. Mir hat er mal aus einer großen Verlegenheit geholfen. Aber das tat er nur aus kluger Berechnung. Er wollte sich nützlich machen, Einfluss gewinnen und durch deine Mutter und deine Schwestern näher an dich herankommen. Und damit es noch schneller ging, hat er dir die Burgunderin aufgedrängt.«
»Was redest du da? Woher willst du das wissen?«, fuhr er sie an. »Es waren Gesandte, die mir von ihr erzählten … die sie lobten …«
»Wer dir das glaubt! Er war es – wer sonst! Und jetzt sitzt er schon im Palast, als wäre er dort zu Hause. Mit seinem Chundo und dem ganzen römischen Kirchenklüngel. Und sie bearbeitet dich bei Tag und Nacht … hab ich recht? Wer weiß, zu welchen Wahnsinnstaten sie dich anstiften wird – im Namen ihrer drei
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