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Die Mestizin

Die Mestizin

Titel: Die Mestizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: César Aira
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zu lachen, nahm sich aber zusammen und sah ihn von der Seite an.
    «Ich habe nicht vermutet, dass sie sich für eine unserer Mitreisenden interessieren. Möchten Sie sie haben?», fragte er mit der für ihn charakteristischen Schroffheit, «in welchem Karren ist sie?»
    «Nein, nein», rief der Franzose schnell aus, «sie wirkte eher wie ein hilfloses altes Weib…»
    Er sprach nicht weiter, da der Leutnant verschmitzt weiterrauchte, und bedauerte es, laut gedacht zu haben.
    Während er in dieser Nacht seinen üblichen Spaziergang rund um den Konvoi machte, um sich die Beine zu vertreten, holte man die Gefangenen heraus, damit sie auf dem Boden übernachten und zur täglichen Ertüchtigung ein paar Schritte laufen konnten. Sie hätten wahrscheinlich lieber an dem Ort geschlafen, an dem sie diesen und all die vergangenen Tage verbracht hatten, und sie weigerten sich passiv, auch nur einen Fuß auf den Boden zu setzen, so dass man sie mit Hieben raustreiben musste. Noch war es nicht tiefe Nacht, es herrschte ein Dämmerlicht, in dem das prächtige Grau des Regens leuchtete. Die Soldaten kletterten wie Affen an den Seitenwänden der Karren hoch, brachen die Fußketten auf und warfen das Kettenende ihren Kameraden zu, die die Gefangenen brutal herauszerrten. Duval begann wie ein Schlafwandler die Karren zu zählen, in denen sich immer dieselbe Szene abspielte, bis er zu einem der letzten kam.
    Im Dämmerlicht gerade noch erkennbar, wirkten die Gefangenen wie groteske Gestalten; halb nackt, die Arme und Beine dürr wie Stöckchen und die Bäuche gebläht, ihre Bewegungen schwerfällig und lustlos. Die Frauen sahen aus wie Zwerginnen, wie zierliche Püppchen. Einen Augenblick später konnte man nur noch ihre Umrisse erkennen, hin und wieder schimmerten die nassen Ketten auf. Niemand schrie. Es herrschte eine Stille, die von gelegentlichem Rufen und Klagen aufgerüttelt wurde.
    Er erkannte die Frau, die ihn angesehen hatte, sogleich wieder, obwohl von ihr nicht mehr zu sehen war als ein flüchtiges Profil… Doch in diesem Augenblick spürte er, dass auch er von dem Schatten Lavalles auf seinem Pferd scharf beobachtet wurde; eine Sekunde lang sah er dessen perlmuttern schimmerndes alkoholisiertes Lächeln und eine Kopfbewegung, und das Murmeln der Augen, die auf das Getümmel der Gefangenen gerichtet waren, ein Scherenschnitt schwarz auf schwarz, und da wusste er, dass er seinem Blick gefolgt war und zeitgleich mit ihm, vielleicht schon vorher, die Unbekannte entdeckt hatte. Er wandte sich unverzüglich ab und blieb stehen, um das Ausladen des nächsten Karrens zu beobachten, in dem sinnlosen Versuch, so zu tun, als wäre nichts gewesen; Lavalle war in die entgegengesetzte Richtung davongeritten.
    Am Abend hatten die Soldaten Rebhühner und Bergtauben erjagt, die jetzt auf Ponchos gestapelt lagen. Im Licht der Feuerstellen wurden sie schnell gerupft und zum Braten auf Spieße gereiht. Zur Überraschung aller spendierte der Leutnant ein Fass Schnaps. Er selbst entkorkte eine Flasche Champagner, die er mit nassem Papier und Balsamblättern kühl gehalten hatte, und lud den Franzosen mit sarkastischen Höflichkeitsfloskeln ein, sie gemeinsam zu leeren.
    Das Geflügel schmeckte ihm vorzüglich. Nachdem er sich tagelang von Zwieback und einem gelegentlichen Streifen Dörrfleisch ernährt hatte, gaben ihm diese weißen und zarten Brüste und Flügel wieder neue Kraft; Lavalle verleitete ihn dazu, ein Glas Champagner nach dem anderen zu trinken; er zeigte sich auf beunruhigende Weise gesprächig.
    Duval nahm an, dass er etwas im Schilde führte, etwas Übles. Und dem war auch so. Das Abendessen war kaum beendet, und die Truppe war gerade am Einnicken, die Sinne vom Saufen umnebelt, saßen sie zusammengekauert um die Feuerstellen, da teilte der Leutnant seinem Assistenten mit, dass er den Soldaten die gnädige Erlaubnis erteile, sich unter den gefangenen Frauen eine auszusuchen und mit ihnen anzustellen, was ihnen beliebe. Die Nachricht machte schnell die Runde. Berauscht vom Schnaps, nicht weniger als von der Aussicht auf eine Nacht des Schändens, torkelten die Männer hechelnd auf die Karren zu.
    Eine Weile herrschte ein Durcheinander, in dem Lavalle sich aus dem Staub machte, und Duval nutzte die Gelegenheit, sich auf seiner Satteldecke schlafen zu legen, die er so weit weg wie möglich schleppte, wobei er bedauerte, dass es ihm aus Sicherheitsgründen nicht erlaubt war, außerhalb des Kreises von Wachtposten zu schlafen, wo

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