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Die Mestizin

Die Mestizin

Titel: Die Mestizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: César Aira
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ihn kein Warnsignal mehr erreichen konnte. Doch er lag noch keine Minute, als er eine Frau auf sich zukommen sah. Mit nackten Füßen lief sie wie eine winzige, verirrte dunkle Wolke. Der Widerschein eines Feuers ließ ihn ihre Gesichtszüge sehen, die halb geschlossenen Augen. Doch er hatte sie schon vorher erkannt. Wieder war sie nur ein Schatten. Ein paar Meter entfernt kniete sie nieder. Duval wusste, dass der Sukkubus sie geschickt hatte, ein weiterer seiner Scherze. Er verharrte reglos wie ein Möbelstück. Sie trug das schlafende Baby im Arm und bettete es auf die Erde; dann legte sie sich neben ihm nieder. Der Franzose sah sich flüchtig um. Er musste wohl kurz geschlafen haben, ohne es zu merken, denn es war sehr still im Lager. Auf den nächsten Satteldecken stöhnten die Offiziere und wanden sich auf den Frauen, stießen und wippten, aber alles war unmerklich in Stille übergegangen und schien weit weg; sie war die kleinste Frau, die er je gesehen hatte; es war also keine durch die Entfernung verursachte Täuschung gewesen. Nun lag sie in seinen Armen. Sie kopulierten. Aus Vorsicht wusch sich der Ingenieur nach dem Akt kräftig mit Cognac aus seiner Feldflasche ab.
    Zwei oder drei Stunden später wurde er vom Licht des aufgehenden Mondes geweckt. Die Nacht wurde zu einem traurigen öden Tag, nicht anders als die Tage selbst. Alles schlief, kein Laut war zu hören. Er drehte sich vorsichtig zu der Frau um und sah, dass sie sehr jung war, fast noch ein Kind. Auch wenn er sie nicht berührte, so war es doch, als habe sie gespürt, dass er sie anschaute, sie öffnete die Augen und sah Duval an, der Blick völlig ausdruckslos, stumm und rein. Sie betrachtete wieder ihr Kind, das friedlich schlief. Der Franzose wurde von einer unüberwindlichen Schläfrigkeit übermannt.
    Als der Morgen graute, war sie schon nicht mehr da.
    Den Tag über vermied er es, sich den letzten Karren zu nähern. Er hätte sich gerne auch von Lavalle fern gehalten, aber der Leutnant schien seine Gesellschaft zu suchen, mit dem alleinigen Ziel, ihm die Ohren mit seinen sadistischen Lachsalven voll zu dröhnen.
    In der Nacht schickte er sie ihm wieder, und in der folgenden auch, aber die Soldaten bekamen nicht mehr die Erlaubnis, Frauen zu sich zu holen. Duval und die Unbekannte sprachen nicht miteinander. Er kannte nicht einmal ihren Namen. Das Mondlicht zeigte sie ihm in ihrer Unerschütterlichkeit, mit asymmetrischen, negroiden oder indianischen Zügen, die sie fortwährend zerstreut oder abwesend wirken ließen. Es lag etwas Kindliches in ihrem Blick, sie schien immer an etwas anderes zu denken. Die Lippen waren dick und wulstig. Manchmal wachte er vor dem Morgengrauen auf und sah zu, wie sie das Kind stillte. Ihre kaum entwickelten Brüste schienen einen unerschöpflichen Nachschub zu bergen. Der Franzose trat in eine ängstliche, furchtsame, nachdenkliche Welt ein. Das Mädchen verschwand aus seinem Sinn mit jenen leichten Schritten, die sie in die Welt hineingeführt hatten.
    Doch in der vierten oder fünften Nacht ließ der Leutnant sie zu seiner eigenen Satteldecke kommen, als die anderen sich noch nicht zur Ruhe gelegt hatten. Er nahm sie sofort unter den Blicken der Offiziere, die unbeeindruckt weitertranken. Dem Ingenieur verschlug es die Sprache, und er musste sich von seiner Verwirrung wie von einem Spinnennetz befreien, um seinen Schlafsack so weit wie möglich wegzuzerren, aber ihre Schreie brachten ihn um den Schlaf. Im Lauf des Morgens trieb Lavalle sein Tier neben das des Franzosen und bot ihm eine Zigarette an. Er glaubte, er werde eine Entschuldigung für das vorbringen, was in der Nacht vorgefallen war, aber dem war nicht so. Er schien sich nicht zu erinnern.
     
     
    Der Regen hatte schließlich aufgehört. Die Atmosphäre stiller Neutralität wich einer Bewegung, die alltäglicher war: Vögel, die auf sämtliche Weisen tirilierend am Himmel kreisten, riesige Schwärme zwitschernder Rebhühner, das dumpfe Schnauben der Flügel des Nandu… und die Nächte angefüllt mit dem Pfeifen der Füchse und dem Gezirpe der Grillen. Die Soldaten wurden plötzlich wieder gesprächig, erzählten sich pausenlos Geschichten und zogen vom Leder, an den Lagerfeuern oder zu Pferd, lauter kindische Lügengeschichten, mit der Naivität der ganz wilden Kerle. Die Nächte waren warm, und der Leutnant gab ihnen jetzt täglich die Erlaubnis, sich mit den Frauen zu verlustieren, sooft sie nur wollten. Die Lieblingsfrau der Offiziere war eine

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