Die Mestizin
Höhe des Leutnants befand.
«Die Hündinnen», sagten die Soldaten.
«Les chiennes?», fragte er Lavalle äußerst verblüfft.
Der Oberst verzog irritiert den Mund.
«Ein weiterer der lächerlichen Zufälle, die uns verblieben sind», erwiderte dieser mürrisch. Er schien die Geduld zu verlieren, aber mit einer Art kraftlosem Widerwillen. Es war, als betrachte er das Flachland als ein Theater dummer Geschehnisse, und als würde dieses hier das Fass seiner Geduld zum Überlaufen bringen.
Es handle sich um ein Rudel Otarias, eine Art Wildhund, völlig harmlos, bequemte er sich schließlich zu sagen, stets vorausgesetzt, man lasse ein Minimum an Vorsicht walten.
Duval blickte wieder zum Horizont. Es musste eine beträchtliche Anzahl sein. Aber niemand zeigte sich beunruhigt, außer den Pferden, die recht bald den Geruch dieser Kreaturen gewittert hatten und stärker zitterten als gewöhnlich. Offenbar würde man sich nicht die Mühe machen, sie zu jagen (vielleicht waren sie ungenießbar). Das Rudel kam immer näher, und aus der Richtung, die sie eingeschlagen hatten, schloss Duval, dass sie an ihnen vorbeikommen würden. Es war absurd, aber das war ihm egal. Diese Otarias hatten keine Angst vor Menschen.
Sie näherten sich vollkommen geräuschlos, auch sie waren wohl stumm. Wenn er sehr aufmerksam lauschte, hörte er ein schwaches und dumpfes Brummen, das vielleicht durch ihre Schritte hervorgerufen wurde.
Nach weniger als einer halben Stunde konnte er sie schon sehen: es waren große grazile Hündinnen, Windhunden ähnlich, alle waren sie grau, hatten keine Ohren, eine spitze Schnauze und lange katzenhafte Schwänze, die sie kläglich hinter sich herzogen. Sie liefen ungelenk und bewegten sich mit einer Schwerfälligkeit, die zu diesen ätherischen Wesen keineswegs passen wollte; als sei ihre Plumpheit eine Affektiertheit, geradezu ein Übermaß an Eleganz. Wie konnten sie hören? Bislang hatte er geglaubt, alle Säugetiere hätten Ohren.
Schließlich waren sie bei ihnen angelangt und liefen in ein paar Metern Abstand vorbei. Sie sahen sie nicht an. Eine Gleichgültigkeit wie die ihre erlangte man nicht von heute auf morgen. Aus der Nähe betrachtet, waren die Augen das Auffälligste an ihnen. Sie hatten keine Lider, und die Pupille schwamm in einem rosa Oval ohne Iris; die schwer hängenden Tränensäcke gaben ihnen etwas Unheilvolles. Man hätte sie als die Augen einer alten Säuferin bezeichnen können, zumal sich jedes auf einer anderen Seite des Kopfes befand, so dass es unmöglich war, sie gleichzeitig zu sehen. Der Geruch erfasste sie wie eine Welle, ein kaum merklicher Gestank nach Zibetkatze, der aber Himmel und Erde erfüllte. Duval drückte die beiden Hände flach auf den Hals des Pferdes, um es zu beruhigen, denn sein hysterisches Getänzel machte es ihm schon schwer, sich oben zu halten. Die weniger freundlichen Soldaten betäubten ihre Reittiere mit kräftigen Fausthieben. Er fiel unmerklich immer weiter zurück und befand sich schließlich auf der Höhe eines der letzten Karren. Die Gefangenen betrachteten die Otarias voller Verachtung. Plötzlich hörte man ein Kind weinen, woraufhin Duval den Blick vom Schauspiel des Rudels löste und unter den nicht weniger gespenstischen Bewohnern des Karrens nach der Herkunft des hauchzarten Tönchens Ausschau hielt. Fast alle Babys, die die Frauen bei sich hatten, waren im Laufe der Fahrt gestorben. Als sie ihn sah, brachte die Mutter es zum Verstummen, indem sie ihm die Brustwarze in den Mund schob; das Kind machte ein paar ganz automatische Saugbewegungen, bevor es einschlief. Die Frau blickte auf und ihre Augen sahen in die des Franzosen…
Duval fühlte sich verwirrt, er wusste nicht, ob es an der unnatürlichen Stille lag oder an der so außergewöhnlichen Situation oder aber an der besonderen Beschaffenheit dieser entrückten und katatonischen Augen. Die Frau, die die Lumpenreste zweier verschiedener Kleider trug, war klein, so dünn und ausgezehrt, dass er sie für ein Kind gehalten hätte. Unter der dicken Schmutzschicht, die sie bedeckte, sah man negroide Züge, und ihr Haar war kurz, kraus und fettig.
Als sie die Hündinnen hinter sich gelassen hatten, wurde er melancholisch. Alles war so sinnlos. Dem Leutnant war dieser Stimmungswandel offenbar aufgefallen, denn er lud ihn zu einem Schluck Cognac ein.
«Wo die wohl herkommen?», fragte er ihn.
Lavalle zuckte mit den Schultern.
«Jagen sie die nicht?»
«Manchmal, sehr selten, wird eine
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