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Die Mestizin

Die Mestizin

Titel: Die Mestizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: César Aira
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Grenzland zu ziehen und der Welt den Rücken zu kehren. Diese Kurtisanen zeigten sich nicht, und die einzigen Neuigkeiten über sie erfuhren sie von ihren Dienstmädchen.
    Die Militärs hatten sich ihre Tage in offener Missachtung der natürlichen Lebensgepflogenheiten eingerichtet. Sie heizten mit Sandelholz und schliefen betrunken auf dem Damast der Sofas, und monatelang war das Spiel ihre einzige Beschäftigung, sie spielten miteinander oder mit den Kaziken, die extra deswegen zu ihnen zu Besuch kamen. Das Spiel klopfte sie weich, forderte ihnen endlose Stunden Schlaf ab.
    Dort sah sie auch zum ersten Mal die Indianer – eine besondere Klasse von Indianern, denn das Fort betraten nur die betuchtesten Kaziken, und das taten sie mit einem unverhältnismäßig großen Pomp.
    Eines Nachts, kurz nachdem sie gekommen waren, wurde sie von einer der Frauen abgeholt. Die reichen Anführer seien gekommen und säßen schon mit den Offizieren im Salon beim Spiel. Erna fragte sie, ob es möglich sei, sie zu sehen.
    «Ja, aber sei mucksmäuschenstill. Sie mögen es nicht, wenn man sie ablenkt.»
    Hand in Hand traten sie auf die Galerie hinaus und schlichen sich auf Zehenspitzen zum Geländer, das man in dem spärlichen Licht kaum erkennen konnte. Das einzige Licht kam von einer Porzellanlampe, die auf einer Ecke des Teppichs stand, auf dem sie spielten. Die Möbel waren an die Wand gerückt. Sie konnte die Szene nur schwer erkennen, nicht nur, weil es so düster war und die Spieler so ungünstig saßen, sondern weil sie sie aus einer nahezu vertikalen Perspektive betrachtete.
    In dem schwachen Schimmer, der das Dunkel erleuchtete, konnte sie zwei Eingeborene sehen, die von Kopf bis Fuß bemalt waren, der Schädel bis zur Mitte kahl rasiert, das übrige Haar sehr lang und eingefettet. Weiter hinten saßen, ebenfalls auf dem Boden, noch weitere Indianer, die bloß zusahen. Und an ihrer Seite hübsche Kamuros, die ihnen Rauchwaren reichten, auch sie bemalt, aber mit schwarzer Tinte, die ihre kleinen und grazilen Körper im Schatten zum Verschwinden brachte. Und die Offiziere, alle in protzigen Uniformen mit Goldknöpfen, in Wolken von Tabak gehüllt. Man vernahm nichts als das Geräusch der Würfel auf den Spielbrettern, ein harter, klackernder Laut, der in der Stille hängen zu bleiben schien.
    Es war ein herrlicher Anblick, den Erna nie vergessen würde.
    Später, im Lauf der anderthalb Monate, die sie dort verbrachte, war sie Zuschauerin vieler Begegnungen wie dieser, und an einigen durfte sie sogar aus einer gewissen Distanz teilnehmen. Sie verfolgte genau die unentschlossenen Bewegungen der Indianerinnen, ließ sich von der Kraft ihrer Leidenschaft mitreißen. In den Spielnächten wurde nur eine Lampe angezündet und die Flamme so schwach wie nur möglich gehalten; der Lichtmangel imitierte das nächtliche Waldklima. Die Gliedmaßen der Indianer wirkten rot wie flammendes Kupfer, die bei den Frauen eintätowierten Zauber wurden zu Netzen, in denen die Dunkelheit flackerte.
    Sie tranken die ganze Zeit. Das Fort verfügte über die besten Schnäpse, und die Dienstmädchen besorgten den Ausschank. Manchmal, nach vielen durchspielten Stunden, fiel ihnen auf, dass sie von Anfang an dieses plätschernde Geräusch vernommen hatten, als befänden sie sich an den Ufern eines Flusses, und dass dies nichts weiter war als das Geräusch, das sie beim Einschenken der Gläser erzeugten.
    Es gab kaum eine Nacht, in der die Offiziere ihre Soireen vor dem Morgengrauen beendeten, und sie verbrachten meist ganze Tage und Nächte, ohne sich vom Spieltisch wegzubewegen. Auch diese Sitte fand ihren Gefallen. Sie mochte es, wenn sie das Morgenlicht zwischen den geschlossenen Fensterläden hindurchschimmern sah, während drinnen das Spiel weiterging und sie mit der Hartnäckigkeit von Betrunkenen den nächtlichen Beschäftigungen nachgingen, obwohl alles dagegen sprach, und der Hornstoß der ersten Wache, gedämpft durch dicke, gepolsterte Türen und doppelte oder dreifache Mauern, nach Tagesanbruch erschallte und einen Offizier rief, der wortlos seine Geldbündel einstrich und davonwankte.
    Die Frühlingsnächte waren gewöhnlich verregnet, mit Stürmen, wie sie nie zuvor welche erlebt hatte. Der Himmel füllte sich mit Blitzen, und die Donnerschläge folgten ohne Unterlass aufeinander, überlagerten sich manchmal, und das stundenlang. Wenn die Frauen, wie üblich, alleine waren, traten sie hinaus auf einige der überdachten Balkone im zweiten

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