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Die Mestizin

Die Mestizin

Titel: Die Mestizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: César Aira
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war kein Mond zu sehen. Sie saßen im Gras, wo sie gerade Platz gefunden hatten. Das einzige Licht kam von ein paar Feuern, auf denen duftendes Räucherwerk verbrannt wurde. Die Leute waren kaum zu erkennen, nur wenn sie sich bewegten, konnte man sie im Dunkeln ausmachen. Sie tranken und rauchten, wartend. Die Indianer waren sämtlich bemalt. Die Kinder liefen überall herum und spielten, ohne dass jemand sie daran hinderte.
    An einem tiefen Zweig hing ein großer Käfig aus Rohrstäben, und darin saß ein Affe, ein kleines Weibchen. Erna entdeckte es erst eine ganze Weile später, da das Licht nicht bis dorthin vordrang. Das Tier schien eingeschlafen zu sein. Irgendein Kind rempelte beim Herumtollen von vorn gegen den Käfig, wodurch er heftig ins Tanzen geriet, bis ein Mann aufstand und ihn anhielt.
    Die Zeremonie war nichts als das, das heißt nichts. Die ganze Zeit blieben sie ruhig und still. Das Ritual war nichts weiter als eine festgelegte Ordnung, beschränkt und flüchtig, etwas, das ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit erforderte und sie dann wieder sinnlos werden ließ.
    Als sie im Morgengrauen wieder heimgingen, machte Erna keinen Hehl aus ihrer Enttäuschung.
    Gombo lächelte, ohne etwas zu sagen.
    All die wilden Zeremonien, an denen sie später teilnahm, waren gleich, allen fehlte in höchstem Maße Höhepunkt und Ende… in höchstem Maße insofern, als es nicht einmal an einem Ende fehlte: zu einem bestimmten Zeitpunkt waren sie fertig, und jeder ging dahin zurück, wo er hergekommen war.
    Die ganze Nacht über fiel Regen, und am nächsten Morgen nieselte es weiter. Ein Strahl der tief stehenden Sonne zauberte einen Regenbogen in das zögerliche Morgengrauen und ließ ihn dann in einer Woge aus leuchtendem Grau verdampfen. Die Vögel kündigten sich an, einer nach dem anderen: zuerst das unmenschliche Kreischen der Flamingos, anschließend das Floflo der Schwalben, die Worte des Tero, des Bronzekiebitzes, der manchmal «tero» zu sagen schien; anschließend der Trompetenstoß des Raben im Wald. Das Gemurmel des Wassers lud zum Schlafen ein: Erna hatte noch eine Weile gedöst, doch dann weckte sie eine Bewegung im Dämmerlicht. Es waren die kleinen Indianermädchen, die miteinander spielten und kichernd unter den Bettlaken herumtobten. Als sie die Fensterläden öffnete, tollten sie durch die ganze Hütte. Francisco schlief: Nichts würde ihn wecken können, bis der Hunger sich meldete.
    Sie boten sich zum Milchholen an. Aber würden sie auch nicht nass werden? Der Regen mache ihnen gar nichts aus. Sie gab ihnen einen Krug und eine Hand voll Geldscheine, damit sie Kekse kaufen konnten, falls der Laden offen war. Sie hatte in der Hütte immer einen großen Geldvorrat, der von Espina stammte: Keiner wusste, wann er nützlich sein könnte. Sie suchte zwei Regenschirme und gab sie ihnen. Wie kleine Rehlein sprangen sie auf die Straße, und Erna blieb auf der Veranda stehen und betrachtete das traurige Schauspiel der pfützenübersäten Straße und die wasserbeladenen Bäume, die schwer waren wie Steinblöcke. Zwischen dräuenden Wolken zogen krächzend ein paar Bandurrias vorbei.
    Sie döste im Schaukelstuhl vor sich hin und zündete sich eine von den Zigaretten an, die die Mädchen ihr dagelassen hatten und an deren Genuss ihre Mütter sie schon von Kindesbeinen an gewöhnt hatten. Sie waren kurz und recht dick, aus viel zu dünnem Papier und mit hohlen Filtern aus Pappe. Auf nüchternen Magen wurde ihr schwindlig davon. Sie hatte das Gefühl, die Zeit bleibe stehen, nur nicht in der Zigarettenglut.
    Sie kamen sehr bald zurückgerannt. Außer der Milch und den Keksen brachten sie auch Eier mit, Kakaoblöcke, Puddings und einen Korb voll wilder Kirschen. Mit ihren Stimmchen, die so dünn waren, dass sie ganz zittrig klangen, sagten sie ihr, sie würden Frühstück machen. Klatschnass, wie sie waren, gingen sie ins Haus und hinterließen Wasserspuren auf den Fußmatten. Erna ließ sie gewähren; von dort, wo sie stand, konnte sie hören, wie sie eifrig herumwerkelten und schwatzten. Nicht lange darauf kamen sie mit Tabletts voll dampfender Tassen zurück.
    Als der Junge aufwachte, gaben sie ihm die Milch mit einem Strohhalm zu trinken. Er sah sich mit staunenden Augen den grauen Tag an, der letzte Regen hing still in der Luft, und er tat einen kräftigen Zug.
    Sie hatten gerade zu Ende gefrühstückt, als eine der «Soldaten»-Nachbarinnen vorbeikam, eine dicke Kastizin, die bei der geringsten Anstrengung

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